Therapiebegleithunde – Toller Job oder Flop?
Was machen Therapiebegleithunde und wie wird ein Hund dazu?
Anja Landler vom Pfoten.land bildet Mensch-Hunde-Teams für die tiergestützte Intervention aus. Vielen Praktiken und Ausbildungen in diesem Bereich steht sie dennoch sehr kritisch gegenüber.
Warum das so ist, was dich auf deinem Weg in diese Tätigkeit erwartet und wie hinterher ein Leben mit einem solchen Hund im Einsatz aussieht, verrät sie dir in dieser Podcast Episode:
Höre gern rein oder lies das Transkript.
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#51 Therapiebegleithunde – Toller Job oder Flop? | Was machen Therapiebegleithunde und wie wird ein Hund dazu?
[00:00] – Anne
In der heutigen Podcast Episode #51 ‚ möchten wir noch einmal zurückkommen auf das Thema der „tiergestützten Intervention“. Vielleicht hast du unsere Inhalte mit Dr. Sandra Foltin dazu schon gehört? Ansonsten höre hier gern rein.
Heute möchte ich meine Podcast Kollegin und Kooperationspartnerin Anja dazu befragen. Du kennst Anja schon aus unseren anderen Podcast Episoden. Und Anja ist schon ganz lange Begleitung für Teams, die im Bereich „tiergestützte Intervention“ arbeiten wollen.
Sie bildet also Teams im Bereich der Therapiebegleithunde aus und war jahrelang auch mit ihren eigenen Hunden im Einsatz.
Liebe Anja, magst du noch einmal kurz für diejenigen zusammenfassen, die den Podcast mit Sandra nicht gehört haben, was „tiergestützte Intervention“ genau ist?
[00:51] – Anja
Sehr gerne.
Was ist tiergestützte Intervention?
[00:52] – Anja
„Tiergestützte Intervention“ bedeutet, dass ein Therapeut im weitesten Sinne, deshalb auch Therapiebegleithund, seinen Hund als Unterstützung im Setting einsetzt. Was bedeutet das?
Also es kann ein:
- Therapeut,
- ein Psychotherapeut,
- ein Psychologe,
- ein Mediziner,
- jemand aus der Sozialarbeit
- oder auch ein Pädagoge sein,
der den Hund im eigenen Berufsfeld einsetzt.
Wenn das nicht der Fall ist, also wenn ich z.B. selber kein Pädagoge bin, dann ist es auch möglich, aber ich brauche dann jemanden (aus einem Therapiebereich) dazu; sonst ist es nämlich keine „tiergestützte Intervention“ in diesem Sinne.
[01:37] – Anne
„Tiergestützte Intervention“ bedeutet, dass jemand, der bereits einen Beruf von Mensch zu Mensch hat, eine Weiterbildung macht, in der er lernt sein Tier als eine Säule in seiner Begleitung für Menschen einzusetzen. Wir konzentrieren uns heute auf die Hunde.
[02:00] – Anja
Ja, perfekt ausgedrückt.
Funktioniert der Beruf grundsätzlich auch ohne das Tier, Anja?
[02:11] – Anja
Ja, es ist mir persönlich ganz besonders wichtig.
Also ich bilde z.B. auch keine Teams, also keine Mensch-Hund-Teams aus, in der der Mensch nicht diese Vorbildung inklusive Berufserfahrung in dem Therapiebereich hat.
Denn das Ausbildungskonzept müsste wirklich ein anderes sein.
[02:31] – Anne
Das heißt, du siehst dich an dieser Stelle auch nicht als Ausbilderin für den Menschen im Sinne von Coaching, Therapie, Pädagogik etc.; ich weiß, in Österreich gibt es Coaching nicht auf diese Art und Weise.
Sondern du kümmerst dich wirklich beim Ausbilden dieser Teams darum, die Interaktion des Teams:
- zu coachen,
- zu begleiten
- und zu trainieren.
[02:59] – Anja
Ganz genau so ist es. Also ich bilde quasi keine Besuchshundeteams aus, weil dafür müsste der Mensch zuerst geschult werden und das mache ich nicht. Die Ausbildung in diesem Fall würde nämlich tatsächlich mehrjährig sein.
Sondern ich betrachte das Berufsfeld des Menschen und wir schauen uns die Eignung des Hundes an. Wir schauen, wie der Mensch den Hund ganz individuell in seinem Berufsfeld einsetzen kann.
Wo sind die Grenzen, wo sind die Möglichkeiten?
[03:31] – Anne
Du bist also darauf angewiesen, dass der Mensch seinen Beruf bereits kennt und dir konkret sagt, wofür er den Hund hinterher einsetzen möchte.
[03:40] – Anja
Ja, ganz genau so ist es. Und ich bin vielleicht auch ein Stück weit dafür da, diese Vorstellungen in realistische Vorstellungen umzuändern.
Ihr seid in Österreich viel, viel weiter als wir in Deutschland, ihr habt wirklich Regeln, wie der Hund eingesetzt werden darf und soll. Das ist in Deutschland noch nicht gesetzlich geregelt. Aber Anja:
Wenn so ein Hund ausgebildet wird für den Bereich, wie setzt ihr den Hund in Österreich ein? Also wie viel Einsätze darf er die Woche laufen zum Beispiel?
[04:21] – Anja
Es gibt zwei grundsätzliche Konzepte, wie die Hunde eingesetzt werden in der tiergestützten Intervention.
Das eine ist, dass der Hund temporär eingesetzt wird und d. h., dass maximal zwei Einsätze pro Woche mit jeweils 45 Minuten als Maximum angesehen werden. Es dürfen auch einmal ausnahmsweise drei Einsätze sein, aber in der Summe nicht mehr als acht im Monat. Das ist natürlich eine gute Zahl und es verdeutlicht sehr stark, dass es zwischen den Settings Pausen geben muss. Es muss für den Hund Erholungszeit geben.
Das zweite Konzept ist insofern noch nicht konkret geregelt. Deshalb wird in dem Fall bei den Überprüfungen und Kontrollen individuell entschieden und das Team hat Auskunftspflicht.
Das sind die sogenannten Präsenzhunde, das sind beispielsweise Schulhunde, die mitkommen in den Unterricht.
Da muss ganz genau dargelegt werden:
- wie wird das gehandhabt,
- wann geht er im Einsatz,
- wie wird das signalisiert,
- woran erkennt der Hund, dass er jetzt Pause hat?
- Kann der Hund selbst entscheiden, wann er in die Pause gehen kann?
- Wie schaut die Pausengestaltung aus?
Und so weiter und so fort. Das ist noch einmal ein viel umfangreicheres Konzept, das man dann während der Ausbildung erstellen muss.
[05:47] – Anne
Du hast gerade gesagt, es muss dargelegt werden, d. h. die Einsätze müssen protokolliert werden in Österreich?
[05:54] – Anja
Immer, jeder Einsatz muss protokolliert werden.
Es muss mindestens
- Datum,
- Uhrzeit,
- Dauer,
- Ort
- und Teilnehmer
erfasst werden. Natürlich im Sinne des Datenschutzes werden nicht die einzelnen Namen aufgenommen.
Des Weiteren muss es bestätigt werden. Das heißt, wenn ich in einem Altenheim bin, in einem Pflegeheim, in einer Schule, es muss mir wirklich von dort bestätigt werden, dass ich dort war. Die Daten müssen natürlich stimmen und wir z.B. als Ausbilder haben die Verpflichtung, wenn wir mitbekommen, dass die Hunde übermäßig im Einsatz sind, dass diese Zeiten nicht eingehalten werden, dass mehr Einsätze gemacht werden, dass sie länger dauern, dass es einfach einen Verdacht gibt, dass der Hund überfordert ist, dann müssen wir das melden.
Sonst müssen wir uns auch vor dem Gesetz verantworten.
Leider ist es bei uns noch nicht so geregelt. Bei euch gibt es noch viel, viel mehr Regelungen. Bei euch gibt es z.B. die Regelung, dass der Hund gesund sein muss und dass er keiner Qualzucht angehören darf. Richtig?
Der Hund muss gesund sein
[07:01] – Anja
Ja, das ist ein ganz wichtiges Thema und auch etwas, bei dem ich mich sicher an der einen oder anderen Stelle unbeliebt mache, weil ich es extrem wichtig finde.
Die Gesundheit unserer Hunde ist die Basis dafür, dass sie überhaupt arbeiten können. Fällt der Hund von der Optik oder von der Abstammung her unter Qualzucht, kann er mitunter in den Einsatz gehen. Aber es muss ein Tierarzt bescheinigen, dass er einsatzfähig ist. Und das darf man keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen.
[07:37] – Anne
Überhaupt nicht!
Also ein Hund, der nicht im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte ist, der ist ja auch einfach gegebenenfalls berührungsempfindlich. Der ist schneller gestresst, der kann sich zwischen den Einsätzen nicht so gut erholen. Und wenn du dir jetzt überlegst zweimal die Woche, 45 Minuten maximal. Wobei, jetzt kommt wieder mein „Pingelgen“ durch als ursprünglich einmal gelernte Kauffrau, mit zweimal 45 Minuten die Woche, acht Mal im Monat. Der Monat hat ja eigentlich 4,31 Wochen, das heißt, es ist sogar weniger als zweimal die Woche. Da merkst du schon, da darf der Hund einfach nur eine Begleitung sein, aber nicht dein Konzept.
Das heißt, er darf nicht dein Business Konzept sein und auch nicht dein Alleinstellungsmerkmal oder sonst irgendetwas, sondern er ist eine Ergänzung.
[08:32] – Anja
Definitiv!
Also ich erlebe es, dass die Vorstellungen, was einen Therapiehund in dem Bereich betrifft, teilweise sehr, sehr realitätsfremd sind. Gerade wenn Menschen den Hund im Coaching oder in der Therapie einsetzen wollen.
Sie haben einfach häufig die Vorstellung:
“Ja, der Hund ist dann einfach mit dabei und dann arbeitet der, so!”
Das funktioniert nicht!
[09:01] – Anne
Jetzt machst du ja zwei Dinge. Du bildest einerseits Teams wirklich aus, von Anfang an. Andererseits bietest du Teams, die schon arbeiten zusätzlich an, bei dir einen Trainings- und Praxiskurs zu machen, der bei uns “Training für tiergestützte Settings” heißt. Kannst du mir kurz erläutern, was “Training für tiergestützte Setting” beinhaltet bzw. für dich bedeutet?
Also was sind deiner Meinung nach die Lernziele, die die Teams brauchen?
Was beinhaltet das “Training für tiergestützte Settings”?
[09:34] – Anja
Es ist als Mensch im Team „Therapiebegleithund und Mensch“ ganz wichtig, dass wir den Hund gut verstehen. Das Training ist nun einmal die Grundlage.
Diese Fortbildung bietet die Möglichkeit, das eigene Training nochmal überprüfen und gewisse Dinge hinterfragen zu können.
Sollte man ein bisschen der Typ „Trainings-Nerd“ sein, kann man natürlich auch noch tiefer eintauchen. Das muss allerdings nicht sein. Also ich finde, die Grundlagen sind wichtig und ein Großteil des „tiergestützten Settings“ besteht ja nicht aus trainierten Dingen, sondern aus der Interaktion, aus der freiwilligen Interaktion von Mensch und Hund.
Aber auch das beinhaltet unser Kurs, denn wir sind auf klare Kommunikation angewiesen und zwar von beiden Seiten. Das ist das, was wir herstellen wollen. Wir wollen klar mit dem Hund kommunizieren und der Hund soll auch die Möglichkeit haben, mit uns klar zu kommunizieren, ohne dass er zum Beispiel im Verhalten eskalieren muss. Also dass er in das Drohverhalten kippen muss, damit wir überhaupt merken, dass es sich nicht wohlfühlt.
[10:43] – Anne
Das heißt, du bringst den Menschen bei, den Hund zu lesen.
[10:46] – Anja
Ja.
[10:47] – Anne
Also Ausdrucksverhalten und Körpersprache.
[10:50] – Anja
Ja, das begleitet uns immer und ständig.
Kommunikation
[10:55] – Anne
Dann ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt die Kommunikation.
[10:59] – Anja
Ja!
[10:59] – Anne
Und zwar in beide Richtungen. Magst du da einmal ein oder zwei Beispiele nennen, die wir bzw. du mit den Teams trainieren, damit der Hund gut mit dem Menschen kommunizieren kann?
[11:12] – Anja
Damit der Hund gut mit uns kommunizieren kann?
[11:16] – Anne
Damit wir ihn verstehen?
[11:17] – Anja
Ja, natürlich.
Ich fange trotzdem von der anderen Seite an.
Es gibt keinen Therapiehund, der aus meiner Ausbildung oder Weiterbildung herausgeht, ohne das Markersignal zu kennen. Diese Erwartungssicherheit ist einfach total wichtig.
Auf der anderen Seite gibt es auch keinen Hund, der herausgeht, der nicht gelernt hat, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, wenn er nicht mehr möchte.
Also Targetverhalten zu zeigen, finde ich an der Stelle ganz wichtig. Wir haben unzählige Möglichkeiten, was wir machen. Wir machen nie mit allen Hunden das Gleiche. Das ist mir auch wichtig.
Wir entscheiden wirklich individuell und so greifen wir die Bedürfnisse des Hundes auf.
[11:57] – Anne
Das heißt, wir greifen bzw. du greifst z. B. auf, dass der Hund lernt, sich aus der Situation ganz deutlich zu entziehen, sodass man dann dem Kind oder dem Klienten, dem erwachsenen Klienten sagen kann: “Pass auf, wenn der Hund da auf seine Decke geht, dann heißt das ganz konkret, er möchte nicht mehr. Und das akzeptieren wir.”
[12:18] – Anja
Genau.
[12:20] – Anne
Eigentlich für uns ein bisschen selbstverständlich. Als ich Kind war, hieß es immer, wenn der Hund ins Körbchen geht, haben wir Kinder nicht hinterher zu gehen. Ich bin nicht mit Hunden großgeworden, aber mein Opa z.B. hatte immer Deutschkurzhaar, Deutschdrahthaare und unsere Nachbarn hatten Schäferhunde. So war das ganz, ganz üblich in dieser Generation. Trotzdem ist es im „tiergestützten Einsatz“ nochmal was besonderes, weil eben fremde Personen anwesend sind oder der Hund sogar in der Fremde eingesetzt wird.
[12:55] – Anja
Es ist sehr häufig der Fall, dass man den Hund mitnimmt. Das macht die „tiergestützte Intervention“ mit Hunden so attraktiv.
Man sagt, mit dem Hund ist man einigermaßen mobil.
Genau deshalb ist es wichtig, dass man dort das Umfeld dann trotzdem so gestaltet, dass der Hund sagen kann: “Ich möchte nicht mehr.”
[13:15] – Anne
Wenn ich den Hund viel mitnehme, bedeutet das, dass dieses Training beinhalten muss, dass der Hund sich in verschiedensten Umfeldern trotzdem wohl und sicher fühlen muss, obwohl sie für ihn nicht nur attraktiv, sondern vielleicht auch erst einmal unattraktiv sind,
- weil sie nach Desinfektionsmittel riechen,
- weil sie laut sind und/oder
- weil viele Fremde da sind.
Wie machst du das im Training?
[13:40] – Anja
Ein ganz wesentlicher Punkt – Ich muss mir nämlich darüber Gedanken machen: “Wo will ich meinen Hund einsetzen?”
Und ich muss dann schauen,
- wie ist das Umfeld für ihn?
- Wie sind seine Reaktionen auf dieses Umfeld?
Dann muss ich natürlich schauen, dass ich dieses Umfeld attraktiv mache.
Das heißt, es gibt ganz viele Rituale, die man mitnehmen kann. Es gibt viele Dinge, die man mitnimmt ins Setting, damit sich der Hund wohlfühlt.
[14:06] – Anne
Das heißt, man sollte zu einem relativ hohen Trainingsaufwand bereit sein, weil die Dinge, die man vielleicht sonst nur für Zuhause, für das Restaurant oder für den Urlaub trainiert, dann wirklich zuverlässig und gut funktionieren müssen.
Zusätzlich das Ganze, ohne dass der Hund in den Druck kommt, dass er etwas tun muss, weil du eben in der „tiergestützten Intervention“ einen Hund haben möchtest, der sehr frei agiert, damit er dann für den Klienten authentisch ist und auch wirklich einen Wert darstellen kann und eventuell Lerninhalte an die Kinder oder an die Erwachsenen vermittelt.
[14:46] – Anja
Ja, definitiv.
Es ist auch so, dass ich in dem Bereich als Mensch extrem flexibel sein muss. Wenn ich nämlich merke, dass der Trainingsaufwand eigentlich viel zu hoch ist für den Output, den ich dann am Ende hätte – ich muss das irgendwie einschätzen zu Beginn – dann darf ich mich nicht selbst belügen. Ich muss ehrlich zu mir sein und sagen:”Dieses Umfeld passt für meinen Hund nicht.” Und eventuell eine Alternative finden.
[15:13] – Anne
Du hast selber auch mit deinen Hunden tiergestützt gearbeitet und ich fände es total schön, wenn du uns einmal ein Beispiel von einem Hundeeinsatz in einem Setting nennen magst. Bzw. auch dann, was man sich überlegen könnte – mit demselben oder einem ähnlichen Lernziel – wenn der Hund eben sagt: “Ich kann heute nicht. Ich mag heute nicht.”
Beispiel Hundeinsatz im Seniorenbereich
[15:36] – Anja
Ja, sehr gerne.
Ich nehme jetzt das Beispiel hier im Pflegebereich. Im Seniorenbereich haben wir über mehrere Jahre einen ganz, ganz lieben Menschen besucht im Pflegeheim.
Er saß im Rollstuhl, hatte ab den Knien keine Beine mehr, war halbseitig gelähmt und konnte sich ganz schwer artikulieren. Zu den Tieren hat er einen super Zugang gehabt. Wir Menschen waren das notwendige Übel, das dann dabei war. Das muss man natürlich als Mensch in diesem Fall aushalten. Unser Ziel war, ihn zu mobilisieren, weil er natürlich durch die eingeschränkte Bewegung, die halbseitige Lähmung immer wieder gesundheitliche Probleme hatte.
Wir besuchten ihn ein bis zweimal die Woche. In der dunklen Jahreszeit, zweimal die Woche, damit wir den Depressionen ein bisschen vorbeugen konnten.
Das war uns auch gelungen und wir haben ein Ritual entwickelt:
Wir sind zu ihm rein. Es war für ihn an diesem Tag ganz wichtig:
- natürlich frühzeitig aufzustehen,
- sich für den Hund hübsch zu machen und was sich nach dem zweiten Einsatz schon etabliert hatte war,
- er hat immer eine Leckerlikette gemacht für den Hund.
Also er hat sie gefädelt. Er hat auch Körbchen geflochten und da hat er eben die runden Leckerchen mit dem Loch aufgefädelt.
Die hat dann der Hund immer am Anfang des Settings bekommen. Es war ihm persönlich ganz wichtig, dass dieses Setting öffentlich stattfindet, damit alle sehen, der Hund kommt zu ihm.
Das heißt für meine Hunde war es gut, dass sie sich auf einen Menschen konzentrieren konnten und sich von den anderen nicht all zu sehr haben ablenken lassen. Das ist mit meinen Hunden gut gelungen. Das passt aber nicht für jeden Hund.
Er wollte wirklich, dass jeder sieht, dass der Hund bei ihm ist und für ihn war es ganz besonders wichtig, dass sich der Hund bewegt.
Meine Vermutung dazu ist, weil er sich selber eben nicht so gut bewegen konnte.
Das heißt, es war immer ein Ritual:
- zuerst die Leckerlikette,
- dann wurde gebürstet, weil es wichtig war. Der Hund musste gepflegt sein. Kleiner Hinweis am Rande, wir hatten natürlich nicht die Pflegebürste mit, sondern das war immer eine Babybürste, damit wenn es daneben geht, das nicht ins Auge geht im sprichwörtlichen Sinne.
- Danach gab es Wurfspiele und das haben wir halt spielerisch gestaltet.
- Einmal hat er gekegelt, dann wieder Kegel aufgestellt.
- Dann hat er den Ball geworfen und meine Hunde sind ja so, dass die schon hier und da mal apportieren. Jedoch in den meisten Fällen haben sie sich den Ball um die Ohren geschmissen
- und irgendwann standen sie wieder da:”Gib mir Kekse!”
Wir haben das ganz offen gehalten. Er hat aber auch Kekse geworfen. Das waren so die wichtigsten Interaktionen.
Am Ende durfte die obligatorische Runde durch das Heim nicht fehlen. Das heißt, wir sind wirklich durch das ganze Heim spaziert. Er hatte eine Leine, ich hatte eine Leine und der Hund ist mitgegangen.
Er hat den Hund präsentiert.
Es gab eine Katze in dem Heim, die immer auf dem gleichen Stuhl stand. Meine Hunde sind groß. Die sind höher als Stuhlhöhe. Das heißt, ich wusste zum Glück schon nach dem ersten Mal wo die Katze war. Da haben wir dann immer einen schönen Seitenwechsel gemacht, damit der Hund nicht direkt an der Katze vorbei musste. Das waren so im Groben unsere Settings.
[19:16] – Anne
Das heißt, wir haben da ganz viel:
- Mobilisieren, in Bewegung bringen.
- Wir haben auch die Vorfreude.
- Wir haben den Stolz, die Exklusivität sozusagen, das Besondere.
Das bedeutet, da hängt viel, viel, viel für den Menschen dran. So wie du es gestaltet hast, haben die Hunde dann etwas mitgemacht. Was wäre, wenn der Hund just in dem Moment nicht fressen oder nicht mitmachen mag?
Was, wenn der Hund nicht fressen oder mitmachen mag?
[19:43] – Anja
Du hast aus der Erzählung schon viel heraus gehört, was dann alles sein kann.
“Nicht- fressen-können” ist ein Stresssymptom.
Das Wichtigste wäre dann, herauszufinden,
- warum kann der Hund nicht fressen?
- Hab ich mein Ritual gemacht?
- Hat er sich vorher gelöst?
- Was hat sich im Umfeld verändert?
Wir hatten es auch hier und da, wenn Menschen im Heim verstorben sind, dass es dann einfach anders roch. Das ist sogar mir aufgefallen. Meine Hunde haben relativ gut darauf reagiert. Sie haben schon Konfliktsignale beim Betreten gezeigt. Aber, je mehr Rituale man dann hat, desto besser funktioniert das.
Sie konnten natürlich wieder raus. Also wir hatten immer die Option, dass wenn es nicht ging, sind wir natürlich rausgegangen. Ich hab dann je nach Jahreszeit, je nach Tagesverfassung entschieden, wie ich damit umgehe und ob ich das Heim noch einmal betrete. Kann ich mit dem Menschen jetzt Zeit verbringen? Ist es für meinen Hund in Ordnung, im Auto zu warten oder nicht? Ich sage euch gleich, ich bin immer nach Hause gefahren. Aber ich habe natürlich Bescheid gegeben und die Betreuungsperson gebeten, mit ihm die Zeit zu verbringen. Erstaunlicherweise, obwohl er sich immer mega auf die Hunde gefreut hat, war das völlig in Ordnung für ihn. Denn wenn der Hund krank ist, dann muss er versorgt werden. Da war er immer sehr strikt. Da gab es nichts. Ebenso wenn ein Hund in der Früh Durchfall hatte, ich habe angerufen, der ist krank. Ok. Dann kommt man 2 oder 3 Tage später.
[21:23] – Anne
Das heißt, wenn ich als Mensch meinen Hund einsetze, dann darf ich auch gelernt haben, “nein zu sagen” und zu sagen “hier ist für meinen Hund definitiv Pause bzw. Ende” und das ist vielleicht ein Learning, das ich dann selber erst einmal noch brauche, dass ich mich das zu sagen traue.
[21:43] – Anja
Das ist sehr wichtig. Man muss diese Option von Anfang an besprechen.
Die Erwartungshaltung ist sehr groß, meistens gar nicht von den Klienten selbst, sondern von den Angehörigen oder von den Betreuern.
Das muss man wirklich von Beginn an kommunizieren.
[21:57] – Anne
Wenn du Interesse hast, mit deinem Hund tiergestützt zu arbeiten, die liebe Anja bildet in Österreich aus. Ein Teil der Ausbildung findet natürlich auch bei uns online statt.
Wenn du in dem Bereich schon arbeitest und sagst: “Ich würde das ganze gerne viel, viel mehr lernen. Wie ich die Settings aufbaue und wie ich mit meinem Hund klarer kommuniziere. Ich habe zwar eine Ausbildung gemacht, aber ich fühle mich für die Praxis gar nicht so richtig sicher.”
Dann gibt es bei uns auch den Kurs “Trainings für tiergestützte Settings”, in dem Anja dich durch die Settings begleitet und ich auch, so ein bisschen.
Wobei ich für „tiergestützte Settings“ nicht der Profi bin, sondern einfach nur auf das Training mit gucke. Wenn du dazu Lust hast, wir verlinken dir das hier in den Shownotes und ich sage dir, liebe Anja, vielen, vielen herzlichen Dank, dass du uns an diesen Einblicken hast teilnehmen lassen und für dich da draußen noch den Hinweis: Wenn du dir nicht sicher bist, ob es für dich und deinen Hund das Richtige ist, dann nimm dir vor allen Dingen Zeit für diese Entscheidung und nimm dir den Druck, dass dein Hund mitmachen muss.
[23:03] – Anja
Ja, vielen Dank, Anne.
An der Stelle ist es nochmal ganz wichtig zu erwähnen, es ist super bereichernd, dass die Anne dabei ist, denn wir haben dann nicht die eingefahrene Betriebsblindheit, sondern die Anne, die von einer anderen Sichtweise darauf schaut. Und das ist extrem wichtig.
[23:20] – Anne
Danke, liebe Anja. Höre mal wieder rein.
Hi, ich bin Anne. Gründerin von “Anders mit Hund” und der Anne Bucher Akademie. Meine Vision ist es, dass jede:r Hundehalter:in kompetente Unterstützung an der Seite hat um ein bedürfnisorientiertes Leben mit Hund:en zu führen! Ich freue mich, wenn ich deine Unterstützung sein darf!
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