Erregung und Verhaltensprobleme

 

Mein Hund kann nicht gut alleine bleiben

 

Wenn Hunde nicht alleine bleiben, ist das für alle eine große Belastung.

Ein kurzer Einkauf oder gar schon das Müllrausbringen wird zur Tortur. Über ein gemütliches Essen mit Freunden reden wir gar nicht erst. Doch den Hund überall mit hinnehmen, kommt nicht in Frage. Nicht nur, dass Hunde nicht stets gern gesehene Gäste sind, zum Beispiel beim Besuch der Oma im Pflegeheim, für unsere Hunde sind viele menschliche Ausflüge nicht erfüllend. Was also tun, wenn der Hund nicht alleine bleiben kann?

Es gibt kaum etwas, das ich so lästig und aufwendig zu trainieren finde, wie Trennungsstress oder Trennungsangst. Es lohnt sich, deinen Hund präventiv richtig gut auf das Alleinebleiben vorzubereiten, wenn du bisher keine Probleme hast.

Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Welpen, die vor der 12. Lebenswoche von der Mutter getrennt wurden, häufiger zu Trennungsstress neigen. Wenn du züchtest, Einfluss auf Züchter hast oder vor hast, dir einen Hund vom Züchter anzuschaffen, trage dafür Sorge, dass der Hund (ein gutes Umfeld vorausgesetzt) bis zur 12. Woche bei seiner Mutter bleiben kann. In meinem Artikel “Welpen – 5 Dinge für einen gut vorbeiteten Einzug” bekommst du mehr Tipps zum Einzug deines Welpen, die dir auf dem Weg helfen können.

Bezugsperson für Hunde

Was das mit dem Alleinebleiben zu tun hat?

 

Damit sich ein Individuum nicht zu lange von der Gruppe entfernt, hat die Natur einige Mechanismen eingebaut. Du kennst sie und hast sie sicher selbst schon gefühlt. Es sind die unangenehmen Emotionen, die du bei Trauer, Verlust, Heimweh und Tod empfindest. Sie überrollen einen. Sie sorgen für Hilflosigkeit. Ja, sie tun sogar teilweise körperlich weh. Nämlich dann, wenn der Oxytocin-Spiegel unter eine gewisse Schwelle sinkt.

So stellt die Natur sicher, dass sich nicht zu viele Individuen von der Gruppe trennen und diese und damit die ganze Art in Gefahr bringen. Trennungsstress ist ein Sicherheitsmechanismus, um Überleben zu schützen.

Wieso leiden dann nicht alle Hunde an Trennungsstress?

 

So viele Individuen, so viele Charaktere und Verhaltensweisen. In der Traumaforschung bei Menschen geht man viel davon aus, dass Trennungsstress und Trennungsangst etwas mit den ersten Beziehungen und Bindungen im Kindesalter zu tun haben. Je gesünder diese waren, desto besser kann man im erwachsenen Alter mit verschiedenen Beziehungszyklen und dem Alleinbleiben umgehen. Die Untersuchungen, dass auch bei Hunden die Zeit bei der Mutter eine nicht unerhebliche Rolle spielt, lässt vermuten, dass weitere Rückschlüsse gezogen werden dürfen.

Doch nicht nur die Welpenzeit deines Vierbeiners spielt eine Rolle. Es gibt noch viel mehr Aspekte, wie z.B.

    • allgemeiner Umgang mit Stress und Stress-Resilienz.
    • andere Probleme mit der Umwelt.
    • gesundheitliches Wohlbefinden deines Vierbeiners.
    • Hormonstatus.
    • Erziehungsstil und allgemeiner Umgang im Alltag.

Wie äußert sich Trennungsstress?

 

Trennungsstress kann viele Formen haben. Nicht immer ist er mit heulen, jaulen oder bellen verbunden. Doch oft sind es genau diese Merkmale, die uns erst darauf aufmerksam machen. Spätestens dann, wenn Ärger mit den Nachbarn und Vermietern droht. Viele Hunde leiden jedoch still. Sie können nicht fressen und nicht trinken. Sie rollen sich in einer Ecke zusammen und verharren oder liegen wartend hinter den Türen. Einige Hunde sind rastlos, tigern auf und ab. Andere zerstören Gegenstände – oft, weil sie gelernt haben, dass der Mensch dann kommt, um sie davon abzubringen. Das genau macht das Erkennen so unglaublich schwer: Es gibt nicht das eine Indiz, die eine Form.

Woran du Trennungsstress erkennst

 

Woran erkennst du also, dass dein Hund Probleme mit dem Alleinsein hat? Das Beste ist, deinen Hund während deiner Abwesenheit zu filmen oder zumindest eine Audioaufnahme zu machen. So kannst du sein Verhalten beobachten: ist dein Vierbeiner entspannt, oder leidet er vielleicht? Mittlerweile gibt es auch richtig coole Apps, die entweder speziell für Hunde oder als Babyphone gedacht sind.

Wenn dein Hund deutlich anderes Verhalten zeigt, als wenn du zu Hause bist, weißt du, dass du dich mit dem Trennungsstress beschäftigen solltest.

Doch auch ohne Überwachung gibt es deutliche Indizien. Hier ein paar Klassiker:

  • Du findest Sabberspuren, die kleben, bei deiner Heimkehr. Gelartiger Speichel ist ein eindeutiges Stress-Symptom. Woran du Stress noch erkennen kannst, erfährst du in diesem Artikel.
  • Dein Hund kümmert sich nach deiner Heimkehr unvermittelt um Futter und Wasser, das ihm die ganze Zeit zur Verfügung stand.
  • Dein Hund ist nach Phasen des Alleinseins deutlich angespannter, gestresster und reagiert schneller auf Reize.
  • Ihr habt Verhaltensprobleme, an denen ihr trotz medizinischem Check-Up und systematischem, ganzheitlichen Training nicht weiterkommt.
  • Dein Hund hat starke Umweltängste, Gewitter- oder Geräuschangst. Untersuchungen zeigen, dass es häufig Korrelationen zwischen Gewitter-, Geräuschangst und Trennungsstress gibt.
  • Dein Hund ist ein sogenannter „Schattenhund“ und folgt dir zu Hause auf Schritt und Tritt. Er kommt nicht oder nur schwer zur Ruhe, wenn du dich nicht auch zur Ruhe begibst. In Podcast Episode #44: „Home-Office und Co. haben meinen Hund zum Schattenhund gemacht“ erfährst du mehr darüber.

In unserer Podcast Episode #22 findest du Informationen zum Thema Trennungsstress: Symptome, Ursachen und Prävention. Praxistipps und Hintergrundwissen bekommst du außerdem in meinem Onlinevortrag Alleine bleiben ohne Trennungsstress.

Was du tun kannst, wenn dein Hund nicht alleine bleiben kann

Das A&O – Die Hunde-Oase – eine neue Wohlfühl-Strategie.

Das Wichtigste ist, dass dein Hund lernt, sich wohlzufühlen, wenn du nicht verfügbar bist. Nicht selten ist es so, dass wir Menschen der Zugang zu wichtigen Erlebnissen und Ressourcen sind. Alles Gute wird mit uns verknüpft, das gibt uns eine ungesunde Wichtigkeit, die den oben genannten Gruppenzusammenhalt noch verstärkt.

Doch wir können dagegen anarbeiten ohne die Bindung zu uns zu schwächen. Der Schlüssel ist die sogenannte Hunde-Oase. Ein Ort, an dem dein Hund möglichst viele Bedürfnisse stillen kann, wenn du nicht da bist. Wo du sie aufbaust, erfährst du im oben genannten Onlinevortrag.

Ist der Ort erstmal gefunden, oft ist es eine Ecke in einem Raum, wird der Platz mit lauter schönen Dingen verbunden. Hier darf dein Hund knabbern, spielen, schlecken, ruhen – alles, was nichts mit dir zu tun hat und gut tut findet ab sofort hier statt. So lernt dein Hund, wenn du seine Bedürfnisse nicht stillen kannst, sie selber zu stillen, und erhält eine neue Strategie gegen Stress und Unwohlsein.

Baue Rituale auf, an denen er erkennt, dass du nicht da bist.

Im späteren Verlauf kombinierst du diese Hunde-Oase mit einem „Nicht-verfügbar-Signal“, welches deinem Hund zeigt, dass du dich jetzt nicht kümmern kannst und ihn auf sich alleine stellt, ohne, dass du weg bist.

Das Weggehen und Verlassen des Hauses, sowie das nach Hause kommen wird in feste Rituale eingebaut, die deinem Hund zeigen, was als Nächstes passiert. Das gibt Sicherheit und schützt vor Stress.

Unterstütze mit Entspannungstraining.

Entspannung ist nicht alles im Leben. In unserer Podcast Episode „Die Magie des Entspannungstrainings“ klären Anja und ich über dieses Training auf. Entspannungstraining z.B. mittels Duft und Musik, kann deinen Hund dabei unterstützen in diesen Momenten länger und vor allem gelassener durchzuhalten.

Es ist ein wichtiger Baustein im Wohlbefinden.

Gib Kontrolle ab.

Je mehr wir unsere Hunde im Alltag kontrollieren oder unterstützen, desto abhängiger werden sie von unserer Interaktion. Sie sind immer weniger in der Lage, Probleme selber zu lösen und sich selbst zu helfen. Eine ungesunde Co-Abhängigkeit entsteht.

Je mehr du in deinem Training darauf setzt gutes, eigenständiges Verhalten zu verstärken und deinem Hund eine Wahl zu lassen, desto besser kann er selber mit Herausforderungen umgehen, wenn es die Situation erfordert. Deine Abwesenheit führt nicht mehr dazu, dass er keine Ahnung hat, wie er sich verhalten soll.

Organisiere, was das Zeug hält.

Solange das Alleinbleiben für deinen Hund schwierig ist, solltest du es tunlichst vermeiden, ihn alleine zu lassen. Kannst du es nicht verhindern, so braucht es eine Betreuung, die wenigstens ein leichter Ersatz ist, wenn du das Haus verlässt.

Dein Training wird sich strecken, es wird eine Weile dauern, also hab Geduld. Versuche am besten, direkt etwas zu finden, was du in den kommenden Wochen – vielleicht sogar Monaten – durchhalten kannst.

Je weniger dein Hund in dieser Zeit über sein Können hinaus alleine ist, desto besser wird dein Training laufen. Vor allem die Uhrzeiten, zu denen er später besonders oft alleine bleiben soll, sind wichtig.

Kuscheln und Bedürfnisbefriedigung.

Je besser die Bedürfnisse deines Hundes gestillt sind und je höher sein Oxytocin-Spiegel ist, desto leichter ist es für ihn alleine zu bleiben.

Wenn du ins Training startest oder auch, wenn du es nicht verhindern kannst, dass er alleine bleiben muss, sorge dafür, dass er vorher alles bekommt, was er braucht.

Sorge dafür, dass er müde (nicht übermüdet!), satt, zufrieden ist und ihr vielleicht sogar noch eine schöne Kuschelstunde eingelegt habt, um den Oxytocin-Spiegel nach oben zu treiben und so einen Puffer für das Alleinebleiben zu schaffen.

DIE ABSOLUTEN DON’TS!

 

Trennungsstress ist ein ernstzunehmendes Problem. Es hat Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit, die Stress-Resilienz und das allgemeine Wohlbefinden – kurzum auf die Lebensqualität. Und auch auf deine, denn ein Hund der nicht alleine bleiben kann, führt automatisch zu weniger Freiheit für dich.

Denk stets daran, dass Trennungsstress für deinen Hund wirkliche Verzweiflung und eine massive Belastung bedeutet. Er macht es nicht, um dich zu ärgern.

Wenn du diese Tipps hörst, mach kehrt und befolge sie nicht – und falls du dich jetzt wunderst, viele meiner Kund:innen haben diese Tipps bekommen, ehe sie zu mir kamen.

  • Der muss dadurch. Lass es ihn aushalten und gehe erst wieder nach Hause, wenn er still ist.
  • Sperre ihn in eine Box oder binde ihn an, damit er nichts kaputt machen kann.
  • Verlasse die Wohnung, ohne es ihm zu sagen.
  • Begrüße ihn nach deiner Rückkehr nicht, sondern ignoriere ihn.
  • Schimpfe mit ihm, wenn er während deiner Abwesenheit etwas gemacht hat. Er weiß genau, was er getan hat.
  • Starte mit 1 Minute und dann steigere linear, Minute um Minute, um das Haus zu verlassen.

Du willst den Trennungsstress loswerden und wünschst dir meine Online-Unterstützung? Dann schaue dir das Programm „Ein echtes Team“ an.

Schau dir auch gern meinen Artikel: „Bindung zwischen Mensch und Hund – Was du über die Mensch-Hund-Beziehung wissen solltest“ an oder höre in Podcast Episode #64 mehr über „Die Bindung zwischen Mensch und Hund.“!

 

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