Nasenarbeit bei Hunden
Immer der Nase nach: Ein Erfahrungsbericht von Tonia Wessel-Schneider
Da kommen sie…
Das eingespielte Mensch-Hund-Team im Einsatz.
Der Mensch bis an die Zähne bewaffnet, in schwarzer Spezialeinheit-Montur, die Sonnenbrille lässt den ernsten und entschlossenen Gesichtsausruck nur vermuten.
Die dünne Leine in seiner Hand ist stramm und wird mit Kraft festgehalten. Am vorderen Ende der Leine dann der Hund. Das Schnüffeln ist deutlich zu hören und wechselt sich mit Hecheln ab.
Der Hund zieht mit Kraft nach vorne, der Mensch hängt leicht nach hinten gelehnt hinten dran. Der Kopf des Hundes geht suchend hin und her, während die Pfoten sich in den glatten Flugplatzboden stemmen, um noch schneller vorwärts zu kommen. Dann geht der Kopf des Hundes abrupt nach links, er nimmt noch mehr Fahrt auf, die Körperspannung und jeder einzelne Muskel sind durch das glatte Fell zu erkennen.
Plötzlich bleibt der Hund stehen, schnüffelt noch einmal intensiv und legt sich flach auf den Boden, die Schnauze zeigt auf einen kleinen schwarzen Koffer.
Der Mensch kommt hinzu, öffnet den Koffer und wird fündig…
Nasenarbeit mit dem Hund: Fragen über Fragen
Ist es wichtig, dass der Hund beim Suchen rennt? Ist es nicht besser, wenn er sich Zeit lässt und dafür gründlich ist? Was muss ein Hund überhaupt für die Nasenarbeit mitbringen? Stimmen die landläufig bekannten und weit verbreiteten Mythen, die sich um die Nasenarbeit ranken? Spielt die Genetik des Hundes eine Rolle oder ist es „nur“ das Training?
Wie trainiert man Nasenarbeit überhaupt? Wie sehr wird der Hund beim Suchen von der Körpersprache oder anderen unbewussten Signalen seines Menschen beeinflusst?
Diese und noch mehr Fragen beschäftigten mich recht intensiv. Bereits mein Hundetrainerstudium habe ich aus der Motivation „Stimmt das eigentlich alles, was die Leute und die Trainer einem so erzählen und falls es stimmt, warum stimmt das bzw. warum stimmt es nicht?“ heraus absolviert.
Ich will es wissen. Ich will es im Detail wissen, weil es mir nicht reicht, beim Mantrailen hinter meinem Hund herzurennen, nach 500 m im anaeroben Bereich zu sein und dann zu gucken, ob er findet und falls ja, wie schnell.
Antworten
Ich entschied mich daher für eine einjährige Ausbildung ausschließlich im Bereich der Nasenarbeit bei Frau Dr. Ute Blaschke-Berthold von CumCane und habe es nicht bereut!
Theorie und Praxis, „Experimente“ und diverse Trainingseinheiten mit meinem eigenen Hund, spannende Situationen und nicht zuletzt viele verblüffende Momente habe ich erleben dürfen und mein Fazit ist:
Nasenarbeit ist faszinierend, spaßig, anspruchsvoll, überraschend, spannend, abwechslungsreich und wissenschaftlich.
Sie eignet sich für junge, alte und gehandicapte Hunde, schult den Menschen-Blick für den Hund, seine Bedürfnisse, seine Emotionen, seine Persönlichkeit, seine Tagesform und ja, es stimmt was man sagt, sie gibt einem das unschlagbare Gefühl ein Team zu sein.
Vor allem aber macht sie Spaß – wenn das Thema richtig angegangen wird und es eben nicht nur um das Hinterher-Rennen, das „Pushen“, das Finden mit großem Getöse und mit medienwirksamem und reißerischem Auftritt geht. Nasenarbeit ist Konzentrationssache, sie ist Detail- und Geduldsarbeit und hat definitiv keine filmreife Sonnenbrillen-Szenen mit schweren Waffen und Hunden auf Erregungslevel 100 nötig.
Es ist eine stille, präzise, spannende und mit Überraschungen und Teamgeist gespickte Beschäftigung, die sorgfältigen kleinschrittigen Aufbau der einzelnen Elemente und ein gemeinsames Ziel im Fokus hat. Kurzum, sie ist einfach wunderbar!
Rein technisch ist Nasenarbeit der bewusste und zweckgerichtete Einsatz des hündischen Geruchssinnes auf ein bestimmtes Signal, um etwas oder jemanden zu finden und das Gefundene dann anzuzeigen.
Zwei Bereiche der Nasenarbeit mit dem Hund
Bei der Geruchsstoffentdeckung wird der Hund auf einen bestimmten Geruch geprägt (Imprinting). Diesen Geruch soll er dann auf das Startsignal hin suchen, finden und anzeigen.
Das Suchfeld kann hier eine einfache Reihe aus verschiedenen Behältern sein, es kann ein Trümmerfeld sein, es kann ein Wald, ein Feld, eine Industriehalle, ein Bürogebäude, ein Bahnhof, ein Flugplatz, eine Autobahnratsstätte, eine Parfümerie, ein Zoogeschäft oder ein Bus oder Auto sein.
Das Suchfeld kann also alles sein.
Der Geruch kann auf dem Boden, in Nasenhöhe, über Kopfhöhe, in Behältern aller Art, in einer Wand, unter der Erde oder in einem menschlichen Körper sein.
Der zweite Bereich ist der Bereich des Match to Sample. Das heißt, dass der Hund eine Geruchsprobe zum Schnüffeln erhält und dann diesen – und nur diesen – Geruch unter einer Vielzahl von gleichartigen Gerüchen differenziert, erkennt und anzeigt. Bei dieser Variante kann der Hund einer Geruchsspur folgen, bis er dort, wo der Zielgeruch am intensivsten ist, abgekommen ist. Es ist möglich, dass der Hund der Spur eines ganz bestimmten Menschen folgt, obwohl er diese Spur aus einer teilweise unfassbar großen Anzahl aus anderen (Menschen)Gerüchen finden und verfolgen muss und das unter extremen Ablenkungsreizen. Er muss außerdem lernen, dass er diese Spur von einer schwachen Intensität zur größtmöglichen Intensität verfolgen muss.
In beiden Varianten lernt der Hund nicht das Suchen selbst, das kann er längst. Er lernt aber ein Startsignal, ein sicheres Anzeigeverhalten, von seinem Menschen unabhängig zu arbeiten und ausnahmsweise nicht auf die (teils unbewussten, teils bewussten) Signale und/oder die Körpersprache seines Menschen zu reagieren. Er lernt, dass er unter äußerst großer Ablenkung in der Umwelt seinen Fokus nicht verliert und vor allem: Er lernt zunächst einmal ein Konzept.
Nasenarbeit ist nicht nur das Suchen, sie besteht aus verschiedenen Elementen.
Der Geruch
Das Anzeigeverhalten bei der Nasenarbeit mit dem Hund
Das Suchen
Mein Fazit
Wichtig ist, dass die Motivation des Hundes stets aufrechterhalten und gefördert wird. Die „Arbeit“ und der Geruch müssen etwas Positives für den Hund sein und er muss Spaß haben. Das erreicht man im Training nicht durch das Überstülpen irgendwelcher Plastiktüten mit irgendwelchen Zielgerüchen über den ganzen Hundekopf, dünne Leinen an dünnen Halsbändern oder der körperlichen und kognitiven Überforderung des Hundes. Man erreicht es durch kleinschrittigen Aufbau der einzelnen Elemente, der detaillierten Beobachtung des eigenen Hundes was seinen Leistungsstand und seine Tagesform, aber auch seine Vorlieben und Abneigungen bzgl. des Wetters oder der Umwelt betrifft.
Und das Wichtigste: Man erreicht es, wenn man als Team Spaß hat und der Weg das Ziel ist.
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Neben ihrem Hauptberuf als Rechtsanwältin absolvierte sie von 2016-2018 das Hundetrainerstudium an der ATN AG und ist seitdem nebenberuflich als Hundetrainerin tätig.
Zusätzlich entschied sie sich für eine einjährige Ausbildung ausschließlich im Bereich der Nasenarbeit bei Frau Dr. Ute Blaschke-Berthold von CumCane
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