Bleib mir weg mit Ruheübungen!
Dein Hund ist aufgedreht, bellt, fiept, winselt? Er flitzt von einem Leinenende zum Anderen und du hast permanent das Gefühl, dass es dich gleich von den Füßen fegt?
Kenne ich!
Das alles sind Verhalten, die ziemlich anstrengend sein können. Verhalten kann man durch Training ändern. Und das ist genau das, was ich dir empfehle.
Verhalten sind Bewegungen und Körperpositionen. Es ist kein innerer Gemütszustand. Verhalten können, so sie dein Hund wirklich bewusst macht, mit Konsequenzen (also Verstärkung und Strafe) verknüpft werden.
Ruhe ist kein Verhalten. Ruhe ist nicht mal ein Gemütszustand. Ruhe ist ein menschliches Konzept. Etwas, das dein Hund nicht kennt. Wie soll er es da lernen?
Ruhe ist für uns Menschen meist stationäres und lautloses Verhalten. Ruhe bedeutet aber nicht, dass es nicht unter der Oberfläche brodelt. Es bedeutet auch nicht, dass es dem Hund gut geht. Klassische Ruheübungen führen meist genau dazu. Der Hund hält inne, ist vielleicht sogar still, doch unter der Oberfläche braut sich etwas zusammen.
Bei diesen Übungen ist es oft so, dass der Hund eine Menge Energie für Selbstbeherrschung aufbringen muss, dann aber wenig dafür erhält. Willenskraft und Selbstbeherrschung sind endliche Ressourcen. Nicht ohne Grund greifst du am Abend eines Diättages schneller zu den Chips oder der Schoki, als am Morgen! Wenn dich das Thema für Menschen interessiert, empfehle ich dir das Buch „Die Macht der Disziplin“ von Roy Baumeister.
Was macht dein Hund also mit dem unter der Oberfläche aufgestauten Druck? Je nach Hund, Situation und einigen anderen Faktoren kompensiert er unterschiedlich, z.B.:
Er sucht sich Ventile um das aufgestaute abzubauen. Gern genommen sind:
das Explodieren an der Leine.
Kinder, Radfahrer oder Autos jagen.
Buddeln und andere Jagdverhalten.
Mobbing gegenüber anderen Hunden.
Lautäußerungen, wie bellen, winseln, fiepen.
Rastlosigkeit und häufiges Bellen bei geringsten Auslösern.
Er gibt auf und wird zur Trantüte:
Er ist schwer motivierbar.
Reagiert auf nichts mehr besonders, wird gerne „als souverän“ und Fels in der Brandung bezeichnet.
Er bekommt mehr und mehr Umweltängste:
Angst
Reagiert auf Menschen, Hunde und Geräusche mit Angst.
Trennungsstress
Bekommt Trennungsstress.
Das alles sind nur Beispiele und wenn dein Hund eines davon zeigt, heißt das nicht, dass die Ruheübungen alleiniger Grund sind. Sie können sogar ohne Ruheübungen auftreten. Doch frustrierende Ruheübungen begünstigen diese Sachen.
Was willst du wirklich?
Wenn du auf meinem Blog gelandet bist, kann ich mir nicht vorstellen, dass du einen Hund haben willst, der einfach nur gehorcht. Du wünschst dir einen Partner, auf den Verlass ist und dem es dabei gut geht, oder?
Super, dann lass uns das Ganze anders angehen und das sogenannte „First Principle Denken“ anwenden. Jupp, wir brauchen unseren Kopf dafür und es gibt auch keinen Schalter dafür, der deinen Wunsch heute noch befriedigt. Hundetraining ist eben ein Prozess und nicht der Bestellbutton eines großen Onlineversandhandels!
Ich gehe davon aus, dass du willst:
dass es ihm gut geht.
er keinen Grund hat zu hibbeln, bellen und winseln und es daher ausbleibt.
er geduldig und entspannt wartet, wenn es mal wieder länger dauert.
Entspannung ist nicht Ruhe. Sie ist nicht mal das Gegenteil von Erregung, doch dazu an anderer stelle gerne mehr. Entspannung ist ein innerer Zustand, bei dem sowohl die Muskelspannung gering ist, als auch der Parasymapthikus aktiver wird und der Sympathikus passiver ist. Der Körper und das Gehirn schalten zum Teil auf Regeneration – Ein himmelweiter Unterschied zu „Ruhe!“. Entspannung kann nicht erzwungen werden, sie kann trainiert werden. Mehr dazu in Podcast Episode #19 Die Magie des Entspannungstrainings.
Ist es das, was du willst? Dann habe ich hier ein paar heiße Tipps für dich:
Safety first!
Dein Hund wird sich nicht entspannen, solange er sich nicht sicher fühlt. Denn solange müssen seine Sinne und der Sympathikus aktiv bleiben. Selbst wenn du ihn bis zur Erschöpfung und Übermüdung auspowern würdest, könnte er sich nicht entspannen. Vielleicht würde er ruhig, ja sogar schlafen, aber die inneren Prozesse sind andere und statt eines erholsamen Schlafes mit anschließend ausgeruhtem und wachem Geist, hast du ein übermüdetes Nervenbündel, für das Erschöpfungsschlaf sogar Kontrollverlust und damit Stress bedeutet.
Damit du Sicherheit herstellen kannst, braucht dein Hund Wissen darüber, was gleich passiert, Kontrolle und Vorhersagemöglichkeiten über die Situation. Wir schaffen das z.B. über die Wohlfühl-Inseln beim Spaziergang, als auch über die Hunde-Oase im Haus. Beides kannst du in unserem kostenfreien Mini-Kurs „Vom Problemhund zum besten Freund kennenlernen“.
Kleinschrittiges Training ohne Frustration
Frust ist der Erregungsanschub schlechthin. Es setzt viel Energie frei, um doch noch ans Ziel zu kommen und ist zugleich mit unangenehmen Emotionen gekoppelt. Angst und Wut steigen auf, wenn wir frustriert sind. Das gilt auch für unsere Hunde.
Mit einem kleinschrittigen Training, in dem ihr viele gemeinsame Erfolge feiert und dein Hund häufig die Erfahrung macht, dass es sich lohnt bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen, erreichst du genau das.
Du willst, dass dein Hund in bestimmten Momenten entspanntes, stationäres Verhalten zeigt? Bringe es ihm bei und übe es auf verschiedenen Erregungsstufen und in unterschiedlichen Situationen.
Meine Favoriten:
Warten an einer Decke.
Stehen, sitzen oder liegen an einem bestimmten Punkt.
Körperkontakt zu dir aufnehmen und dort verbleiben.
Wichtig ist, dass du beim Training die Ausführung (z.B. Hinsetzen) von der Dauer (sitzen bleiben) entkoppelst und immer nur eines trainierst und dann systematisch zusammensetzt. Wie das genau geht, lernst du bei uns im Programm „Ein echtes Team“ oder natürlich auch in unserer Ausbildung „Trainer:in für Menschen mit Hund“.
Befriedige Bedürfnisse
Oft wollen wir, dass unsere Hunde „ausgelastet“ und „ausgepowert“ sind. In Podcast Episode #04 “Gelangweilt, überfordert oder ausgelastet?“ haben wir darüber berichtet, warum das nur begrenzt passt. Denn es geht dabei nicht um die Menge, sondern um die Bedürfnisbefriedigung. Je mehr Bedürfnisse deines Hundes befriedigt sind, desto weniger frustriert und gestresst ist er.
Das alleine führt schon zur Entspannung!
Sei großzügig
Dein Hund soll lernen, dass auch schon ein kleiner Ansatz, eine Bemühung seinerseits sich lohnt. Geh’ immer davon aus, dass das was er dir zeigt, das Beste ist, was ihm gerade einfällt.
Wenn das für dich nicht gut genug ist, weißt du, dass ihr noch Trainingsaufgaben habt. Kann er etwas dafür, dass er das noch nicht gut genug gelernt und verinnerlicht hat?
Habe keine Angst, das Falsche zu belohnen
Verhalten, die durch Trainingsfehler basierend auf falschen Belohnungen entstehen, lassen sich leicht ändern. Viel schwieriger wird es mit denen, die auf Grund von unangenehmen Emotionen, Stress und Frustration entstehen. Diese brennen sich viel tiefer ins Gehirn, weil sie einen größeren Bezug zum Überleben haben. Man geht davon aus, dass die Amygdala (der zuständige Gehirnbereich, gerne auch „Mandelkern“ genannt) unangenehme Erfahrungen ca. 6x stärker speichert.
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Hi, ich bin Anne. Gründerin von “Anders mit Hund” und der Anne Bucher Akademie. Meine Vision ist es, dass jede:r Hundehalter:in kompetente Unterstützung an der Seite hat um ein bedürfnisorientiertes Leben mit Hund:en zu führen! Ich freue mich, wenn ich deine Unterstützung sein darf!
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