Wie Jagen und Erregung zusammenhängen

Wie Jagen und Erregung zusammenhängen

Ein Auszug aus unserem Onlinekurs “Halt & Sicherheit – nicht nur für den Problemhund”

In dieser Podcast Episode erfährst du, was Jagdverhalten und Erregung verbindet und welches Wechselspiel es gibt.

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Transkript zur Podcast Episode:

#25 Wie Jagen und Erregung zusammenhängen
Ein Auszug aus unserem Onlinekurs “Halt & Sicherheit – nicht nur für den Problemhund”

 

Anja

In dieser Podcast Episode wird dir Anne die verschiedenen Aspekte von Jagen und Erregung vorstellen. Und sie wird dir die Zusammenhänge näher bringen. Anne, was ist eigentlich Jagdverhalten?

 

Was ist eigentlich Jagdverhalten?

 

Anne

Jagdverhalten ist erst einmal grundsätzlich angeboren. Das heißt, jeder Hund kann jagen und wenn der für diesen Hund passende Auslöser vorbeikommt, in die Wahrnehmung des Hundes gerät, dann wird der Hund auch jagen.

Jagdverhalten gehört zum natürlichen Verhaltensspektrum von Hunden und sie brauchen es nicht erst erlernen. Das ist ganz wichtig zu wissen, denn das gibt dir zum Beispiel den Halt und die Sicherheit, dass du über jagdlich motivierte Belohnungen, über Futter suchen, über solche Sachen, Jagdverhalten nicht auslöst und dem Hund beibringst. Sondern du kanalisierst es damit. 

Hemmen ist definitiv bei allen angeborenen Verhaltensweisen keine gute Alternative. Denn erstens, wenn wir die angeborenen Verhaltensweisen hemmen, dann müssen wir uns darüber unterhalten, ob wir hier noch in einer artgerechten und tierschutzgerechten Tierhaltung sind. Angeborene Verhaltensweisen ausleben zu können, auszuleben, das ist ein Grundbedürfnis

Und das zweite ist, viele dieser Bereiche aus den angeborenen Verhaltensweisen, die steuert der Hund erst mal gar nicht bewusst. Sondern wenn der passende Auslöser kommt, wenn der Hund z. B. den vor ihm hoch gehenden Hasen wahrnimmt, der erste Satz hinterher, der ist reflektorisch

Und das nächste Problem ist, alle angeborenen Verhaltensweisen dienen auch häufig zur Stressbewältigung. Also je mehr Stress wir beim Hund auslösen, desto wahrscheinlicher ist es, dass er die bevorzugten angeborenen Verhaltensweisen nutzt, um den Stress auszugleichen und um sein Leben wieder etwas schöner zu machen. 

Was meine ich mit hemmen? Mit hemmen meine ich z. B. ein körpersprachliches Blocken. Das kann vor dem Hund aufstampfen sein. Es kann die Hand hochheben und so eine Stopp-Geste ausüben sein. Das kann, je nach Typ, auch ein schärferes, lauteres Nein, ein Zischgeräusch oder solche Sachen sein. All diese Sachen, also alle Sachen, die dazu dienen dem Hund ohne ein Alternativangebot, ohne eine alternative Möglichkeit, einfach nur Nein zu sagen, gehen in die Kategorie des Hemmens. Du kannst aber Jagdverhalten natürlich trotzdem verändern und bearbeiten. 

Für mich ist es ganz wichtig: es gibt kein Anti-Jagd-Training. 

 

Es gibt kein Anti-Jagd-Training

 

Anti-Jagd-Training wäre sozusagen ein Hemmen von Jagdverhalten. Es wäre das Abgewöhnen von Jagen. Und wer einen Hund hat, muss damit leben, dass er einen Jäger hat. Wie stark das ausgeprägt ist, das ist natürlich nochmal unterschiedlich. Wenn du verstehst, dass Jagen nicht gleich Jagen ist, sondern Jagen aus verschiedensten Elementen besteht, aus verschiedensten Verhaltensweisen, dann wird die Bearbeitung von Jagdverhalten für dich leichter. 

Wie Jagen und Erregung zusammenhängen
Beutefangsequenz

 

Die Beutefangsequenz, zu der das Jagdverhalten ja gehört, besteht aus vielen, vielen kleinen Puzzleteilen. Anfangen tut es mit dem Orientieren, was du auch noch in die Kategorie Neugier- und Erkundungsverhalten einordnen kannst. Dann geht es weiter mit dem Fokussieren. Hier sind wir definitiv in der Beutefangsequenz. Gegebenenfalls kommt das Anschleichen, das Hetzen, dann das Packen und Totschütteln, das Zerlegen und das Fressen. Und all diese Elemente gehören ein Stück weit in die lebensnotwendige Sequenz von Nahrung und Nahrungserwerb. Dem Hund diese Verhaltensweisen zu verbieten, sorgt dafür, dass sein Gehirn denkt, er kriegt nichts zu essen, er geht leer aus. Und das ist natürlich ein riesiges Problem. Schauen wir uns die einzelnen Elemente an. 

 

Orientieren

 

Wir beginnen mit dem Orientieren. Das Orientieren zeigt dein Hund hoffentlich sehr viel. Denn der gesunde Hund zeigt Neugier- und Erkundungsverhalten. Es ist bei einem noch relativ niedrigen Erregungslevel dafür, dass der Hund sich in Bewegung befindet. Die dahinter liegende Emotion ist das Seeking, die ist Dopamin gesteuert und immer wenn Dopamin mit im Spiel ist, dann wird sich bewegt. Orientieren, Neugier- und Erkundungsverhalten dienen dazu, Ressourcen zu entdecken. Das heißt, man sucht nach Erfolg versprechenden Strukturen wie z. B. Hecken, man sucht nach Tälern, in denen vielleicht Flüsse, Bäche oder kleine Teiche sind. Man sucht nach Mäuselöchern auf der Wiese. Das heißt, man ist auf der Suche nach allen möglichen Ressourcen. Hat man eine Ressource entdeckt, die sich bewegt, die noch lebt und die in die Kategorie Nahrung und Nahrungserwerb gehört, dann steigt das Erregungslevel leicht an. Und der Hund fokussiert sich. Das heißt, er richtet seine konkrete Aufmerksamkeit auf das, was vor ihm ist. Das wird gerne auch Fixieren genannt.

 

Fokussieren und Fixieren

 

Ich unterteile gerne in Fokussieren und Fixieren, denn Fixieren ist für viele von uns auch das Drohfixieren. Wenn ein Hund mit seinen Blicken versucht, etwas zu distanzieren und zu vertreiben. Und ich bitte dich hier immer für dich einen Unterschied zu machen. Fokussiert er etwas, weil er sich gleich annähern möchte, um es zu jagen? Oder fixiert er etwas, weil er möchte, dass es geht und er vielleicht im nächsten Moment die Distanz verringert, um es zu vertreiben? 

Der Unterschied ist im Training ganz, ganz, ganz gewaltig. Und der Unterschied ist auch für den Beobachter, für denjenigen, der beobachtet wird, ganz gewaltig. Wenn mich jemand drohfixiert, dann sollte ich mich langsam zurückziehen, ihm klarmachen, dass ich deeskalierend unterwegs bin. Und dann darf ich mich auch ein bisschen flotter entfernen. Wenn mich jemand fokussiert, weil er mich jagen will, dann macht es vielleicht mehr Sinn, mich nicht zu schnell zurückzuziehen, sondern dem anderen mitzuteilen, dass ich wehrhaft bin, dass ich eine schwierige Beute bin, mich tot zu stellen oder auch mich zu wehren.

Und aus diesem Aspekt kannst du z. B. die Reaktionen von kleinen Hunden auf große Hunde anschauen. Häufig werden diese von oben herab angeschaut, weil eben der andere größer ist. Das heißt, der Große starrt den Kleinen an und der Kleine interpretiert es als Beutegreifer. Er interpretiert es als Fokussieren aus dem Jagdverhalten. Und dann hat er nur noch eine Chance, nämlich dem anderen zu sagen: Ich bin richtig wehrhaft, ich schmecke gar nicht. Der Preis, den du zahlst, ist hoch. 

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Das Fokussieren fängt häufig mit der Orientierungsreaktion an. Der Hund bleibt stehen, er schließt den Fang, der Kopf und die Ohren richten sich in eine Richtung. Du kennst es mit dem Stehen als Gucken, vielleicht auch noch im Anschluss mit Wittern oder auch mit der angezogenen Vorderpfote das Vorstehen. Fokussieren gehört definitiv mit ins Jagdverhalten. Und ich kann dir nur raten, wenn du ein jagdlich motivierten Hund hast, dass du versuchst, das Fokussieren, wenn du es entdeckst, zu verstärken, zu belohnen, damit es häufiger wird. Denn alles, was danach kommt, hat etwas mit Distanzverringerung zur Beute zu tun. Und häufig ist es ja gar nicht das unerwünschte Verhalten, dass der Hund jagt, sondern dass er die Distanz zur Beute verringert.

 

Distanzverringerung

 

Die erste Distanzverringerung ist das Schleichen. Auch das Schleichen gehört natürlich zum Jagdverhalten mit Seeking und Dopamin. Es hat ein niedriges bis mittleres Erregungslevel im Verhältnis zu den anderen Jagdsequenzelementen. Vielleicht kennst du auch den Begriff des Anpirschens. Dafür braucht man eine extrem hohe Körperspannung, denn man arbeitet sehr langsam, ohne Schwung zu holen gegen die Schwerkraft. Das heißt, hier brauchst du eine extreme Muskelanspannung. Der Körper ist meistens geduckt und die Distanzverringerung geht in Zeitlupe. Wir sehen das bei vielen Hütehunden von bestimmten Typen. Der Border Collie kann das z. B. super super gut. Meistens. Und es gibt ein ganz konkretes Ziel für den Hund, an das er versucht möglichst unbemerkt, möglichst langsam ranzukommen. Dieses Verhalten macht den Hunden häufig viel Spaß. Genauso wie das Fokussieren. Und ich kann dir nur raten, das Fokussieren zu verstärken und wenn du Ansätze vom Schleichen siehst, das auch noch zu verstärken. Denn der Hund ist immer noch nicht schnell hinter der Beute unterwegs

 

Hetzen

 

Beim Hetzen hingegen, das ist das, was viele Leute als Jagdverhalten verstehen. Da haben wir ein hohes Erregungslevel. Wir haben ein flottes bis sogar äußerst schnelles Tempo und wir haben eine zielgerichtete Distanzverringerung. Wir haben eine Verfolgung. Diese Verfolgung kann auf Geruch oder auf Sicht sein. Meistens ist sie auf Geruch etwas langsamer als auf Sicht. Und je näher der Hund der Beute kommt, desto schneller wird er in der Regel. Hier sind wir in dem Bereich der vielen Hunden richtig viel Freude macht, der aber definitiv verboten ist. Wir können unsere Hunde nicht hinter Wild her hetzen lassen und auch das Aufscheuchen von Vögeln ist ein Stück weit bedenklich.

Du kannst Hetzverhalten aber über verschiedene Belohnungen und auf der Action-Insel z. B. sehr gut einsetzen. Und kannst dort Hetzverhalten nutzen, um es ausleben zu lassen, damit der Hund diesen Spaß hat, der auch wirklich dem Körper gut tut, wenn der Hund mal flott in Bewegung ist und wenn er das Bedürfnis hat, dann kann ich dir das nur raten. Wir belohnen zum Beispiel Fokussieren oder auch Schleichen gerne mit Hetzen von Objekten oder mit mir zusammen rennen – aber immer vom Wild weg. Das heißt nicht mehr in Richtung des Wildes, sondern in Richtung eines Objektes. Lieber vom Wild weg. Und damit kannst du super belohnen – die vorangegangenen Elemente der Jagdsequenz, wenn du einen Hund hast, der gerne hetzt.

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Packen, Schütteln, Halten

 

Auch das Packen und Schütteln, Packen, Halten und dann gegebenenfalls Töten in der natürlichen Jagdsequenz braucht ein relativ hohes Erregungslevel. Meistens greifen die Hunde in den Nacken oder in die Läufe des anderen Tieres, um es entweder direkt tot zu schütteln oder zu Fall zu bringen. Hunde haben nicht das Gebiss für einen Tötungsbiss. Das heißt, sie müssen ihr Beutetier tot schütteln, zumindest wenn es ein Stück größer ist als ein Mäuschen. Bei bestimmten Hundearten, die zum Beispiel darauf selektiert wurden am wehrhaften Wild zu arbeiten, wie z. B. Terrier, die teilweise darauf selektiert wurden, Nager, Schädlinge, Ratten zu töten. Die haben häufig ein Stück weit Aggressionsverhalten mit im Beutefangverhalten bei hoher Erregung. Warum? Sie brauchen schlicht und ergreifend den Mut und die körperliche Voraussetzung, um an aggressives, wehrhaftes Wild anzugehen. Und Sie dürfen da nicht kuschen. 

Und der Abschluss ist dann Jagdverhalten, was sich mischt mit konsumatorischem Verhalten. Nämlich erst zerlegen und dann fressen. Und hierbei beginnt sozusagen mit jedem Happen, den der Hund konsumiert, das Erregungslevel wieder zu sinken, weil der Neurotransmittercocktail sich verschiebt. Das Seeking endet, die Verdauung beginnt, eine Ruhephase für den Hund wird sozusagen eingeleitet. 

 

Fassen wir noch einmal zusammen:

 

Die Beutefangsequenz geht von Orientieren bis zum Fressen und mit jedem Punkt steigt das Erregungslevel. Das steigende Erregungslevel sorgt dafür, dass die einzelnen Elemente der Beutefangsequenz ausgelöst und aktiviert werden. Das bedeutet, wenn du mit deinem Hund auf relativ hohem Erregungslevel schon unterwegs bist, ist es wahrscheinlicher, dass Hetzen aktiviert wird als Schleichen. Ist das Erregungslevel deines Hundes eher niedrig? Werden die vor dem Hetzen sichtbaren Beutefangsequenz-Elemente wahrscheinlicher gezeigt.

Die Beutefangsequenz besteht aus verschiedenen Funktionskreisen. Das Neugier- und Erkundungsverhalten ist eigentlich noch kein Jagdverhalten, sondern es dient erst einmal dazu, sich in der Umwelt zu orientieren. Geht aber dann fließend über in ein Jagdverhalten, wenn etwas entdeckt wird, was gejagt werden kann und das Bedürfnis des Jagens da ist. Genauso fließend ist am Ende nach dem Zerlegen, dass der Übergang zum konsumatorischen Verhalten und dem Fressen.

In der Natur gibt es nur zwei mögliche Enden der Jagdsequenz: entweder Erfolg und Essen oder Misserfolg und Hunger. 

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Das bedeutet, in der Natur entscheidet der Hund irgendwann innerhalb der Jagdsequenz, ob es sich lohnt, das Wildtier weiter zu hetzen oder ob es sich hierbei um ein nicht erreichbares Ziel handelt und man lieber Energie spart. Wenn man diese Energie spart, hat man aber gleichzeitig die Not, dass neues Futter ran muss. Deswegen fühlt sich das Ende von Seeking nicht gut an. Das Ende von Vorfreude fühlt sich nicht gut an. Der Hund soll möglichst lange motiviert sein, hinter dem Wild her zu gehen, damit er nicht hungert. Das Ende von Vorfreude macht nicht so richtig Spaß. Und vielleicht kennst du es. Wir freuen uns in der Adventszeit auf Weihnachten. Dann kommt Weihnachten und irgendwie ist es nie so toll wie die Vorfreude.

Vielleicht kennst du es. Du möchtest unbedingt ein Buch haben, was bald veröffentlicht wird. Du freust dich total drauf. Du nimmst das Päckchen in Empfang oder holst es in der Buchhandlung ab. Und dann liegt es zuhause. Es fühlt sich nicht so gut an. Und erst das Konsumieren macht so ein bisschen den Schadensersatz. Wird das Wildtier nicht erreicht, fehlt der Schadensersatz und Frustration setzt ein. Unter natürlichen Bedingungen wägen unsere Hunde also richtig gut ab, ob sie jagen gehen. Wie weit sie jagen gehen, wie viel sie investieren. Und sie wissen, dass sie das Wildtier brauchen, um zu überleben. Erregung ist ein Energiefresser. Das heißt, unter natürlichen Bedingungen steigt die Erregung dann, wenn wir die Energie auch für etwas brauchen, und sie steigt dann, wenn das Wildtier tatsächlich auftritt, so hoch an, so passend, dass das natürliche Verhalten, das notwendige Verhalten, mit dem wahrscheinlich das Tier erreicht wird, ausgelöst wird. Es wird dabei so wenig Energie wie nötig aufgebracht. Ist das Tier in hoher Erregung, kommt es sehr auf die Emotion an, die dazu passt, was gerade passiert. Aber wenn das Tier in hoher Erregung ist und die Emotionen ist Seeking, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr groß, daß das Tier in Jagdverhalten fällt. Das heißt in der Natur, bei Wildtieren steigt das Erregungslevel ohne Auslöser gar nicht so einfach so hoch an, wie es bei unseren Hunden das scheinbar tut. 

Zusammengefasst: Ein passendes Erregungslevel löst das passende Element der Jagdsequenz aus.

 

Niederiges und hohes Erregungslevel

 

Ein Hund mit niedrigen Erregungslevel wird eher Stöbern, Fokussieren und Schleichen zeigen, während ein Hund, der gerade auf hohem Erregungslevel unterwegs ist, eher schnell ins Hetzen oder Packen fallen wird. Es verändert Bedürfnisse das Erregungslevel und vielleicht gerade wenn du einen bestimmten Hütehund Typ oder auch ein Schäferhund hast oder vor Augen hast, dann weißt du, dass die häufig bei hohem Erregungslevel gerne in was reinpacken und sich gerne was um die Ohren schleudern. Und dann weißt du, dass das Erregungslevel hier so hoch ist, dass das Bedürfnis nach Packen schon gegeben ist. Je höher das Erregungslevel, desto schwieriger ist es, das entsprechende Element der Jagdsequenz zu unterdrücken. 

Und immer, wenn wir die erste emotionale Reaktion unterdrücken wollen, wenn wir Selbstbeherrschung üben wollen, dann ist es die sogenannte Impulskontrolle. Je höher das Level, desto schwieriger ist es, den Impuls zu unterdrücken. Das geht bis so weit, dass es nicht mehr möglich ist. Klassischerweise löst der Auslöser, also das Reh, der Hase, die Duftspur nach Wild, die löst das passende Erregung Level aus. Um dann eben mehr Neugier- und Erkundungsverhalten zu zeigen oder tatsächlich ins Jagdverhalten zu gehen. 

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Das ist bei meinem Hund aber irgendwie nicht so

 

Jetzt hast du vielleicht an vielen Punkten gedacht: Mensch das ist bei meinem Hund aber irgendwie nicht so. Und das ist das Problem beim domestizierten Haushund. Unsere Hunde haben eine stark beeinträchtigte Kosten-Nutzen-Analyse. Das kommt durch die Domestikation und natürlich auch durch unsere Selektion auf einzelne Elemente der Sequenz. Auf Hunde, die packen sollen, auf Hunde, die treiben sollen, auf Hunde, die vorstehen sollen. Und das verändert natürlich etwas an der Stelle.

Ein kleine Randbemerkung: Form folgt Funktion. Wenn du einen Hund siehst, der schon so wie ein richtiger Läufer aussieht, dann kannst du ziemlich sicher davon ausgehen, dass für ihn Hetzen wichtig sein könnte bzw. wichtig wird oder wichtig ist. Wenn du so ein Kraftpaket siehst, der dafür gemacht ist einen festen Stand zu haben, dann könntest du davon ausgehen, dass es sich hierbei schon um einen handelt, der gerne packt, wie z. B. bei den ganzen Bullrassen.

Die Kosten-Nutzen-Analyse wird auch beeinträchtigt durch Frustration und hier entsteht, meistens durch unsere Haltungs- und Lebensbedingungen, der Hund, der nicht viel von der Leine kann. Der Hund, der viel angeleint spazieren geht, vielleicht sogar noch an strammer Leine. Der Hund, der sich seine Sozialpartner, Fortpflanzungspartner nicht aussuchen kann, aber trotzdem noch das Bedürfnis der Fortpflanzung hat. Der Hund, der ein hohes Jagdbedürfnis hat und häufig Wild wahrnimmt, aber nie zum Zuge kommt, der ist frustriert. Es gibt 1.500 Gründe für Frustration. Sie ist eines der häufigsten Probleme für unsere Hunde und sie steigert Erregung.

 

Konkurrenzdruck

 

Ein weiteres Problem, was die Kosten-Nutzen-Analyse beeinträchtigt, ist unsere Populationsdichte. Die Lebensbereiche unserer Hunde sind sehr eng und sehr eng mit anderen Hunden verwoben. Das sorgt für viel Konkurrenzdruck, das sorgt für Stress. Und das sorgt dafür, dass quasi bewusst ist, dass die Ressourcen sehr geteilt werden müssen. Auch das kann dazu führen, dass Jagdverhalten vermehrt gezeigt wird. Alles auch ein Stück weit natürlich eine Typfrage. Vielleicht hast du einen Hund, der sich eher in sich zurückzieht und ein bisschen emotionslos, depressiv wird durch die ganze Situation. Aber wenn du einen hast, für den Jagen richtig wichtig ist. Dann wird das Jagen immer wichtiger, je mehr Druck, Stress, Frustration im Hund vorhanden ist. 

Ein ganz wichtiger Aspekt. Die Natur hat natürlich vorgesehen, dass Energiereserven und Zeitfenster zum Jagen vorhanden sind. Und wenn hier die Bedürfnisse nicht befriedigt werden, sondern einfach nur unterdrückt werden, dann werden diese Zeitfenster nicht genutzt. Werden diese Zeitfenster nicht genutzt, dann hat der Hund zu viel Zeit übrig. Und hier kannst du super gut über Futterbälle, über Jagdersatzspielchen, über Dinge, wo der Hund wirklich ins Jagen kommt, die Zeitfenster schließen und ausnutzen.

Vielleicht hast du es vorhin im Hintergrund rappeln gehört. Das war meine Minnie, die sich wieder einen ihrer Futterbälle hervorgekramt hat und mit dem beschäftigt hat. Und das ist für mich vollkommen in Ordnung, dass das im Hintergrund passiert, denn dafür ist ihr Zeitfenster da und ich freue mich, wenn sie dadurch ein bisschen aktiv wird, sich ein bisschen mit sich selbst beschäftigt und ihre natürlichen Bedürfnisse befriedigt. Ich meine damit jedoch nicht Mantrailing, Dummy-Training, Nasenarbeit.

Die starken Regeln von uns Menschen unterliegt und wo der Hund gar nicht so sehr in die freie Erkundung und das freie Hetzen und Jagen kommt, sondern wo wir einfach nur die Sinne des Jagdverhalten nutzen, um sie auszulasten bzw. in Hobbys zu packen. Wir haben auf jeden Fall eine verschobene Energiebilanz dadurch, dass unsere Hunde den Napf einfach vor die Nase gestellt bekommen und das Futter quasi nicht erst jagen dürfen. Und bitte verstehe mich nicht falsch, ich bin überhaupt kein Freund davon, wenn Hunde für jedes Bröckchen Futter arbeiten müssen.

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Kein Freund von Handfütterung

 

Ich bin der festen Überzeugung, das macht mehr Stress als alles andere. Ich bin kein Freund von der sogenannten Handfütterung, dass Hunde nur aus der Hand bekommen, nur für Tätigkeiten bekommen etc. Wir teilen es so ein, dass es die Hauptmahlzeit gibt und die gibt es einfach so aus dem Napf. Und das sind mindestens 30, meistens eher 50 % des Futters. Und dann gibt es eben noch Futter was wir nutzen: in Futterbällen, in so genannten Anti-Schling-Näpfen, für Suchaufgaben.

Und selbst wenn ich keine Zeit habe. Mich einmal hinzustellen und eine große Handvoll Futter durch die Wohnung zu verteilen oder durch den Garten, statt sie einfach in den Napf zu streuen, sorgt dafür, dass die Hunde damit wirklich beschäftigt sind. Als unsere Hunde das noch nicht an einem Ort konnten, hatten wir halt ein Kindergitter dazwischen oder ein Hund hat im Garten gesucht, ein Hund im Haus. Sei da kreativ und lass deine Hunde nicht darunter leiden, wenn du mehrere hast, dass du dir mehrere angeschafft hast und deswegen sie ihre Bedürfnisse nicht mehr ausleben können.

Was definitiv die Kosten-Nutzen-Analyse stark beeinträchtigt, ist die Selektion auf einzelne Sequenzelemente. Denn die verändern zum Beispiel, wie viel Dopaminrezeptoren und wie viel Dopamin es im Gehirn gibt und dementsprechend auch, wie der Hund sich verhält. Doch auch wenn wir Hunde haben, die nicht mal gezielt auf einen Sequenzelement gezüchtet worden sind, wie z. B. den Rhodesian Ridgeback oder aber auch die Herdenschutzhunde, die ja eigentlich eine eher kleine Jagdsequenz haben, wo alles so gleichmäßig verteilt ist, weil sie einfach die Herde gar nicht so in Aufruhr bringen sollen. Auch da sollten wir über Jagdverhalten arbeiten und es ausleben lassen, denn es macht einfach Spaß. Sieht dann halt vielleicht ein bisschen anders aus. Es ist nicht ganz so sportlich und spritzig. Es sieht vielleicht auch manchmal erst einmal aus wie ein auf trainierter Trick. Aber es ist wichtig für das Hundegehirn. Es macht Spaß und es tut gut.

 

Was kannst du jetzt also tun? 

 

Was kannst du konkret machen, damit du das Bedürfnis deines Hundes befriedigst, damit du das Erregungslevel so beeinträchtigst, dass Jagdverhalten eben nur bedingt auftritt bzw. nur die erwünschten Sachen? Und was kannst du nicht tun? 

Eines vorweg: Du wirst niemals eine Garantie haben. Unsere Hunde sind keine ferngesteuerten Autos, sondern Individuen, die immer im Fluss sind. Tagesverfassung, Stresslevel, vorangegangene Erlebnisse, Stärke des Auslösers – all solche Sachen beeinträchtigen das Verhalten und sie sind häufig für dich gar nicht wahrnehmbar. Du hast weder das Gehör noch das Geruchsvermögen deines Hundes. Du siehst nicht das gleiche wie er. Du spürst nicht das gleich wie er. Du empfindest nicht das gleiche wie er. 

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Passe dein Tempo und die Erregung an

 

Das erste, was du tun kannst, ist: Passe dein Tempo und die Erregung an. Also wenn du merkst, dass dein Hund nur noch hetzen und packen möchte, dann schau dir an, wie kann ich das Level weiter reduzieren? Kann ich z. B. mehr schlendern? Kann ich eine Insel einbauen, wo wir erstmal stationär bleiben? Kann ich meinem Hund eine Futtersuchaufgabe oder etwas anderes geben, was garantiert das Erregungslevel ein Stück weit herunterfährt? 

Wenn Futtersuchaufgaben bei deinem Hund das Erregungslevel hochfahren, dann hat das häufig etwas mit Frustration zu tun. Dann sei großzügiger, nimm mehr Futter und guck dir die Umwelt an, ob dein Hund hier überhaupt abtauchen kann oder ob wir eigentlich im Bereich sind, dass er versucht Sicherheit herzustellen. Überlege dir also und beobachte vor allen Dingen deinen Hund, welches Tempo, welche Tätigkeiten, welches Jagdesquenzelement bei deinem Hund aktivieren ist.

Und wenn du eher so eine Art Couch Potato hast, dann sei doch mal flotter unterwegs, um zu aktivieren, dass dein Hund ein bisschen mehr ins Neugier- und Erkundungsverhalten und ins Jagdverhalten kommt.

Wenn du einen Hund hast mit vielen Ängsten, dann kann es kontraproduktiv sein, schneller unterwegs zu sein. Dann sei lieber auch eher auf den Inseln aktiv und sorge dort dafür, dass dein Hund sich entspannen oder auch sein Jagdverhalten aktivieren kann. Schau dir an, was ist das bevorzugte Jagdsequenzelement deines Hundes. Hetzt er gerne, packt er gerne, steht er gerne vor und befriedige ist, setze es sogar als Belohnung ein. Wenn dein Hund also stöbert und du denkst: Oh, jetzt könnte er etwas entdeckt haben, dann lade ihn ein, mit dir zusammen zu rennen, lade ihn ein mit dir zusammen zu spielen. Lade ihn ein seinen Lieblingsball zu suchen, zu packen und an der Stelle auch gerne mal auf Sicht.

Schaue, dass du die natürlichen Zeitfenster deines Hundes ausnutzt und dass er neben euren Gassigängen immer wieder Dinge zur Beschäftigungen bekommt, mit denen er sich alleine beschäftigen kann, die etwas mit Nahrung und Nahrungserwerb zu tun haben. Und hier vielleicht sogar in der Hunde-Oase machen kann. Du befriedigst damit automatisch das Jagdverhalten. Auch so Kleinigkeiten wie das Lieblingsspielzeug deines Hundes in der Wohnung zu verstecken und es ihnen suchen zu lassen, kann das Jagdverhalten befriedigen. Und so kannst du dafür sorgen, dass die Zeitfenster deines Hundes gefüllt werden, ohne dass du Daueraction machst oder ihm dauernd neue Aufgaben stellst. Bitte unterscheide hier immer zwischen Dingen, die dein Hund alleine machen kann, die du nur vorbereitest und zwischen Dingen, die nach bestimmten Regeln mit dir zusammen stattfinden. 

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Achte auf die Vorboten

 

Sorge auf jeden Fall dafür, dass es auch Dinge gibt, die ohne Regeln einfach nur von dir vorbereitet stattfinden. Wenn du weißt, was die unerwünschten Elemente des Jagdverhalten deines Hundes sind, dann kennst du vielleicht auch schon die Vorboten. Beobachte deinen Hund und wenn du denkst Oha! Immer wenn er das macht, dann geht er gleich wieder hetzen. Immer wenn du das Bedürfnis hast, ihn zurückzurufen, weil du denkst: Ach herrje, gleich geht er wieder los. Dann gib dein Markersignal, belohne und sei richtig großzügig.

Wenn du an der Stelle deinem Hund den Vorboten verbietest, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er den Vorboten in Zukunft kürzer zeigt und schneller, das Unerwünschte größer. Unser Ziel ist es, den Vorboten bewusst zu verstärken, zu vergrößern, länger zu machen, um so mehr Zeit zu haben, bis wir quasi interagieren müssen und ein Stück für Stück besser beobachtbaren und auch freilaufenden Hund zu haben. Wo ist im Alltag dein Hund frustriert? Wo bekommt er nicht, was er möchte? Wann ist die Leine stramm? Wann möchte er gerne Dinge tun und du kannst sie ihm nicht erlauben? Wo werden diese ausgelöst?

 

Vermeide Frustrationsauslöser

 

Schau dir das unbedingt an und vermeide Frustrationsauslöser. Denn Frustration ist häufig eine Ursache für unerwünschte Verhalten und Probleme, für massiven Erregungensanstieg, Erregungsbellen, Angstverhalten, Aggressionsverhalten. Das heißt zum Beispiel, dass es sein kann, wenn dein Hund im Wald nur an der Leine zieht, nur hektisch unterwegs ist. Dass es richtig, richtig Sinn macht, weniger in den Wald zu gehen, kürzer oder langsamer im Wald zu sein, mehr stationär zu sein. Sei hier kreativ und suche nach Lösungen, die die Momente verringern, in denen dein Hund Frust hat. Du wirst niemals alle beseitigen. Doch jeder Moment, in dem dein Hund nicht frustriert ist, zählt. 

Ein ganz wichtiger Aspekt, damit du den natürlichen Kreislauf der Jagdsequenz einhältst. Damit dein Hund am Ende des Jagdverhalten das Erregungslevel absenkt. Schließe jedes Actionspiel, jedes Jagdverhalten was du auslöst kannst, egal ob beim Spielzeug oder an was anderem immer mit Futter ab. Sei dabei großzügig und bleibe auch so lange beim Futter, bis du dafür sorgen kannst, dass dein Hund wirklich in Ruhe das Futter aufklaubt und du siehst, dass seine Atmung wieder normal wird, dass sein Erregungslevel sinkt. Dass er nicht mehr so hektisch unterwegs ist. Deswegen schließen wir z. B. die Action-Inseln mit Futter ab und deswegen fangen wir an der Action-Insel auch erst einmal nur so weit an, wie dein Hund dort Futter nehmen kann, damit wir immer die natürliche Sequenz einhalten und am Ende wieder auf einem geringeren Erregungslevel herauskommen. Achte da ganz ganz unbedingt drauf, wenn dein Hund schon kein Futter mehr nehmen kann. Wenn ihr Action, Spiel und Spaß macht, dann ist es deine Aufgabe, wieder ein neues Action, Spiel und Spaß zu erfinden. Vielleicht erst einmal ohne die Objekte, die bei ihm die Action auslösen. 

Vielleicht erst einmal auf andere Art, z. B. durch geworfenes Futter, gut sichtbares, geworfenes oder verstreutes Futter Action und Essen miteinander zu verbinden. Du kannst dafür definitiv die Inseln supergut benutzen, so hast du es stationär an einer Stelle. Du kannst dort viele Dinge ablaufen lassen, die dein Hund vielleicht so im Wald und unterwegs nicht machen kann. Und du kannst sie vor allen Dingen viel mit Futter verknüpfen. Nutze also unbedingt unsere Wohlfühl-Inseln, um diese Aspekte des Zusammenlebens und der Bedürfnisbefriedigung zu verwenden.

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