Guckt der noch oder fixiert der schon

Guckt der noch oder fixiert der schon?

Ist es dir unangenehm, wenn dein Hund andere anstarrt? Du fragst dich, was du tun sollst, wenn dein Hund fixiert und wie du zwischen gucken und fixieren unterscheiden kannst? Du hast Angst das falsche Verhalten zu belohnen? Du bist nicht alleine, diese Fragen stellen sich viele Hundehalter:innen. Lass uns gemeinsam näher hinschauen – welche Arten des Guckens gibt es denn?

Die Orientierungsreaktion 

Du kennst es bestimmt, dein Hund nimmt etwas wahr, er bleibt stehen oder wird zumindest langsamer. Sein Kopf, seine Ohren und seine gesamten Sinnesorgane drehen sich in eine Richtung. Das Ziel? Schnell, mehr Informationen sammeln. Der Ausgang? Je nach Bewertung der Informationen. 

Dieses Verhalten ist teilweise reflexiv. Es ist schwer zu unterdrücken und eine Erstreaktion auf Reize. Das kann von der in der Hecke raschelnden Amsel bis zum auftauchenden Hund alles sein.

Das Verstärken der Orientierungsreaktion nennt man „Click for Blick“. Es hat zwei Ziele:

Die Bewertung der Information positiv beeinflussen.

Das kurze Verharren (stehen und gucken, hören, riechen) zu verstärken, damit es in Zukunft länger dauert.

So bekommen wir einen Hund, der bei plötzlichen Auslösern immer länger Informationen sammelt, ehe er etwas tut. Mehr Zeit für uns, um zu reagieren.

Guckt der noch oder fixiert der schon

Fixieren – aka Drohfixieren

Willkommen in der Welt des Aggressionsverhalten. Hui, klingt böse. Ist es aber nicht. Dazu kann ich dir die Podcast Episode #41 “Warum Aggression nicht böse ist” empfehlen.

Vielleicht starten wir den Absatz noch einmal anders… 

Willkommen in der Welt der Kommunikation. Huch, schon hat es eine ganz andere Färbung, oder? 

Hunde, die andere Individuen fixieren, kommunizieren damit. Sauber und ordentlich. Sie sagen: „Bleib weg, ich will nicht das du näher kommst oder besser noch weggehst.“ 

Ich finde, sie haben das Recht dazu. Sie machen das nicht ohne Grund. Sie fühlen sich oder eine wichtige Ressource bedroht. Sie verteidigen etwas, dass ihnen wichtig ist und zeigen eine abgestufte, aber deutliche Kommunikation. 

Wenn dich das Fixieren deines Hundes stört, frage dich doch mal, wie er seinem Bedürfnis anders Ausdruck verleihen soll, sodass der andere es auch versteht?

Das Fixieren ist meist mit dem Körperschwerpunkt nach vorne verbunden. Die Augen sind dabei exakt auf einen Punkt am anderen Individuum ausgerichtet. Häufig sind die Augen verengt. Die Muskelspannung ist hoch. 

Bevor du dich entscheidest, was du tust, ein paar Fragen:

Wo bist du? Hinter dem Hund? Woher weißt du dann, dass seine Augen auf einen Punkt starren und verengt sind? 

Was tut das Gegenüber? Gibt es ein Indiz dafür, dass es deinem Hund gegenüber Aggressionsverhalten ausüben könnte, wenn dein Hund nicht mehr mit seinem Blick distanziert?

Hm, du merkst es bestimmt. So ganz einfach ist das jetzt nicht mehr. Oder doch? Für mich ist es einfach: 

Ich werde so angestarrt?

Ich verhalte mich deeskalierend, aber nicht enthemmend. Das bedeutet ich richte mich nicht frontal zum anderen aus, starre nicht zurück und versuche ihn nicht zu bedrohen. Ich vermeide alles, was er als „Blocken“ empfinden könnte. Warum, verrate ich dir in diesem Artikel. Dennoch wende ich mich auch nicht vollständig ab und drehe mich nicht zackig weg: Denn ich möchte das Gegenüber nicht enthemmen.

Meine Hunde werden so angestarrt. 

Ich gebe mein Markersignal, lobe und drehe mich dabei leicht weg. Ich achte darauf, dass ihre Leine locker bleibt. So lasse ich sie die Kommunikation frei bestimmen, mache ihnen aber das Angebot sich mit mir zu entfernen. Ich gebe keine Signale, die sie in einen Konflikt bringen können, nichts, was zackige Bewegungen auslöst. Denn weiß ich, was sie am Gegenüber wahrnehmen? Was, wenn ich meinen Rückruf verwende und der andere durch die Bewegung enthemmt wird und nachsetzt?

Meine Hunde sind an der Leine und fixieren. 

Das passiert uns nur noch sehr, sehr selten. Und dennoch, das Erste, was ich mache ist mein Marker- oder mein Entspannungssignale geben, freundlich loben, bewusst darauf achten, dass die Leine locker bleibt und mich wegdrehen. Dazu biete ich meinem Hund ein Alternativverhalten an, wie sich abwenden, zu mir kommen oder einen Bogen laufen, wenn ich nicht Sorge habe, dass der andere dann attackiert. 

Guckt der noch oder fixiert der schon

Ich weiß, dass diese Aussage nun ganz viel Widerstand bei vielen Lesern auslöst. Sofort kommt die Frage in den Sinn, aber dann belohne ich doch aggressives Verhalten? Du belohnst keine Emotionen – du belohnst Verhalten und das heißt hier: STEHEN und GUCKEN und ist KOMMUNIKATIONSVERHALTEN. Es ist mir weitaus lieber als hinrennen und rammen (oder schlimmeres). Alles, was ich nun tun würde, wenn ich mich auf meinen Hund zubewege, könnte ihn weiter nach vorne schieben. Wenn ich von hinten schimpfe oder strafe treibt das den Hund ebenfalls eher vorwärts, vergrößert den Druck und die unangenehmen Emotionen. Eine Eskalation wird wahrscheinlicher. Mit meiner Strategie mache ich Folgendes:

Die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass wir gemeinsam glimpflich wegkommen.

Meinem Hund mitteilen, dass ich seine Kommunikation wahrgenommen habe und gut finde, dass er so ordentlich kommuniziert. 

Die Bewertung der Situation bei meinem Hund positiv beeinflussen, sodass er in Zukunft weniger Bedrohung in den Momenten verspürt und nicht stärker und heftiger kommunizieren muss.

Und ja, das gilt auch, wenn er dabei knurrt und Zähne zeigt! Wenn dein Hund lernt, dass seine Kommunikation ihm nicht hilft, hat er nur zwei Möglichkeiten:

Heftiger, stärker, schneller und früher reagieren, damit er wahrgenommen wird.

Sich und das, was ihm wichtig ist, aufgeben. Wenn man aufgibt, kann man das auch Depression und erlernte Hilflosigkeit nennen.

Beides finde ich gleichermaßen schlimm. Also heißt meine Devise: Bewertung verändern, Fell dicker werden lassen, Kommunikation ausbauen und gemeinsam gesellschaftstauglichere Strategien aufbauen. 

Guckt der noch oder fixiert der schon

Fokussieren

Das Fokussieren kommt aus dem Jagdverhalten. Ein potentielles Beutetier ist wahrgenommen und wird fest im Blick gehalten. 

Das Nächste wäre das Anschleichen, Hetzen, Packen, Töten und Essen.

Wird ein Individuum von einem anderen in den Fokus genommen und bekommt das mit, so wird es bedrohlich. Die Wahrscheinlichkeit von Flucht oder einem Drohfixieren steigt. So kann es dem Jäger mitteilen, dass es wehrhaft und sicher keine leichte Beute ist. Die Jagd wird den Jäger einen Preis kosten. 

Das Ganze findet jedoch nicht nur von Hund zu Hase statt, sondern auch unter Hunden. Kleine oder flinke wendige Hunde wissen oft bereits, dass sie zur Beute werden können. Deswegen neigen gegebenenfalls zu heftigen Reaktionen auf Artgenossen – es geht immerhin um ihr Leben! 

Bestimmte Hundetypen fokussieren gerne andere. Auch das lernen die Artgenossen. Eine „Leinenaggression“ vieler Schäferhunde ist beispielsweise nichts anderes als frustriertes Beutefangverhalten. 

In unserem Training macht das an zwei Punkten einen Unterschied: Bei der Wahl der Belohnungen und daran, wie lange wir die Hunde andere ansehen lassen. 

Zurück zum Fokussieren: Dieses Verhalten ist für uns ein wichtiger Türöffner im Bereich des Jagdverhaltens. Anders als das Hetzen, können wir es dem Hund erlauben, ja sogar fördern – solange das Gegenüber es nicht merkt oder davon unbeeindruckt bleibt. 

Beim Fokussieren steht der Hund mit dem Körperschwerpunkt mittig bis vorne, die Muskelanspannung ist leicht erhöht, kann aber auch deutlich zunehmen. Der Blick ist starr auf den Auslöser gerichtet. 

Wenn du einen Hund hast, der extrem jagt, empfehle ich dir unsere Podcast Episode #25 “Wie Jagen und Erregung zusammenhängen”

Guckt der noch oder fixiert der schon

Scannen

Und dann gibt es ja noch so viele andere Arten zu stehen und zu gucken! 

Es gibt die Hunde, die stehen und gucken, weil sie:

aus Neugierde auf der Suche nach Wild oder anderer Stimulation die Umgebung absuchen und Ausschau halten.

eingefroren sind und im Konflikt sind.

ängstlich sind und permanent nach potentiellen Bedrohungen Ausschau halten.

und, und, und.

Wer weiß, wer weiß…

Einer der häufigsten Trainingsfehler ist meiner Meinung nach, dass wir Menschen erstmal fleißig interpretieren, WARUM der Hund etwas macht, statt das zu belohnen, was uns wichtig ist! 

Doch wer sagt dir, dass deine Interpretation richtig ist? Was, wenn du durch deine Denkweise viele gute Trainingsgelegenheiten verpasst?

Hunde verknüpfen Verhalten mit Konsequenzen. Verhalten sind Bewegungen und Körperpositionen. Diese können wir sehen und messen, was tatsächlich im Kopf vor sich geht, nicht! 

Die Grundregel bei uns für ein effizientes Training: Fokussiere dich auf das Verhalten! Wenn du einen Hund hast, der aus dem Stehen und Gucken nach vorne schießt, vertreibt, jagen geht oder flüchtet, ist die erste Devise: VERLÄNGERE DAS STEHEN UND GUCKEN! 

Damit hast du einen Fuß in der Tür, um vernünftig und angemessen zu interagieren. 

Wenn es sich bei den Ursachen um Konflikte, Angst und Aggression handelt, ist das nächste Ziel: Verändere die Bewertung der Situation. 

Das Geniale: Mit einem guten bedürfnisorientierten Training machst du beides gleichzeitig! 

Schritt 3: Baue lohnenswerte und zugleich für dich angenehme Alternativen mit deinem Hund auf. 

Klingt spitze? Ist es auch und der Weg macht Freude und intensiviert deine Beziehung zu deinem Hund. 

Schau auch gern in meinen Blogartikel: “Die Körpersprache deines Hundes – Kenne die Basics.”!

Du wünschst dir meine Begleitung auf diesem Wege? Setze dich hier auf die Warteliste für mein Programm „Ein echtes Team“ und erfahre, sobald die Türen sich wieder öffnen. 

 

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