Wie Mehrhundehaltung sich auf die Mensch-Hund-Beziehung auswirkt
Hast du dich auch schon mal gefragt, ob du es als Mehrhundehalterin schwerer hast, eine gute Bindung zu deinem Hund aufzubauen? Die Antwort lautet „Nein, aber….“
Eine sichere Bindung zwischen Mensch und Hund hat auf den ersten Blick nichts mit der Bindung zu anderen Individuen zu tun. Es geht um das Miteinander von zwei Individuen. Was eine sichere Bindung ist, kannst du in meinem Artikel “Bindung zwischen Mensch und Hund” nachlesen.
Mehrere Zweierbeziehungen sind eine Gruppe
Eine Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass mehrere Individuen miteinander Beziehungen haben. Dabei handelt es sich immer um Zweierbeziehungen, sogenannte Dyaden. Das ist auch bei dir und deinen Hunden so. Du hast zu jedem Hund eine eigene Beziehung und diese dann wieder mit jedem anderen Individuum der Gruppe. Stelle es dir vor wie ein Geflecht oder Netz. In meinem Artikel “Warum Rudelführer sein, nichts mit Bindung zu tun hat“ gehe ich auf die Komplexität von Gruppen ein.
Bauen die Hunde untereinander eine Bindung auf?
Wie so oft in der Psychologie ist die Abgrenzung zwischen den Begriffen „Bindung“ und „Beziehung“ nicht eindeutig, sondern schwammig. Am verbreitetsten ist der Ansatz, dass eine Bindung eine Beziehung ist, die Nähe verlangt und Verlustängste beinhaltet.
Individuen, die Lebensräume teilen, bauen immer Beziehungen miteinander auf. Sie passen ihr Verhalten aneinander an, reagieren aufeinander und kommunizieren. Das bedeutet nicht automatisch, dass die Beziehung angenehm oder schön ist. Viele Hunde leben miteinander in Disharmonie und ertragen diese Situation mehr, als sie sie genießen. Es ist nicht automatisch so, dass sie eine Bindung miteinander eingehen. Auch ist eine entstandene Bindung nicht automatisch ein Zeichen für eine gute Beziehung. Wenn dich das Thema Mehrhundehaltung grundsätzlich interessiert, lies gerne meinen Artikel “Mehrhundehaltung – Mehr Hunde, mehr Glück?“.
Erfüllung von Bedürfnissen
Grundsätzlich hat jeder Hund ein Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und Nähe. Wie groß oder klein dieses ist, bestimmen viele Faktoren. Ist dieses Bedürfnis gestillt, so werden andere Bedürfnisse automatisch mächtiger und die Motivation Bindungsverhalten auszutauschen kleiner. Wenn deine Hunde ihre sozialen Bedürfnisse gegenseitig stillen, hat dein Hund weniger Notwendigkeit, dies mit dir zu tun. Eure Beziehung wird sich dadurch verändern und eventuell weniger intensiv.
Ich persönlich mag das, denn es macht meine Hunde weniger abhängig und ermöglicht ihnen verschiedene Kommunikationsaspekte zu üben.
Trennungsstress als Bestandteil von Bindung
Es ist jedoch nicht gesagt, dass dein Hund durch einen anderen Hund an seiner Seite weniger Trennungsstress hat und besser Alleine bleiben kann. Viele Hunde leiden dennoch, wenn ihre Bezugspersonen gehen, denn der andere Hund ist für sie kein adäquater Ersatz. Trennungsstress hat etwas mit der Bindung an ein bestimmtes Individuum zu tun. Mehr dazu kannst du auch in Podcast Episode #64 mit Dr. Sandra Foltin und mir hören. Außerdem bekommst du Tipps und Wissen zu dem Thema im Onlinevortrag Alleine bleiben ohne Trennungsstress.
Gruppendynamik
Nicht nur in deiner Abwesenheit, sondern auch in deiner Anwesenheit beeinflusst die Beziehung deiner Hunde untereinander logischerweise ihr Verhalten. Dadurch entstehen teilweise spannende und schwieriger zu steuernde Situationen, nicht nur, dass du mehr Individuen lenken darfst, die Kommunikation unter den Hunden ist zugleich für uns an vielen Stellen verborgen. Grundsätzlich kannst du dir zwei Dinge merken:
Distanz zu dir und Schutz der Gruppe
Nicht selten werden Hunde in der Gruppe mobiler und entwickeln einen größeren Radius zu ihren Bezugspersonen. Der Effekt, dass die Sicherheit der Gruppe in Konkurrenz zu Gefahren in der Umwelt steht, wird ausgehebelt. Die mitlaufenden Artgenossen bieten weiter Schutz. Die Distanz zu dir wird weniger wichtig. Das ist ein Grund, weshalb ein Rückruftraining einzeln und in der Gruppe notwendig ist.
Gefahren durch die Gruppe
Doch das Leben in der Gruppe bringt auch Gefahren mit sich. Artgenossen mit ähnlichen Interessen sind die größten Konkurrenten. Gruppenmitglieder, die nicht sicher mit der Umwelt umgehen, sind ein Risiko für die gesamte Gruppe. So kenne ich jede Menge Gruppen, in denen ein Hund z.B. Artgenossen verbellt, die nicht zur Gruppe gehören, weil ein anderes Gruppenmitglied Begegnungsprobleme hat und sie die dadurch entstehende Dynamik in der Gruppe frühzeitig abwenden und vermeiden wollen. Ich nenne das gerne „die Brandstifter“. In dem Fall hilft nicht alleine das Training mit dem Brandstifter, sondern auch das andere Gruppenmitglied muss involviert werden.
Eifersucht und Ressourcenverteidigung
Hunde können eifersüchtig sein. Sie merken, wenn sie ungerecht behandelt werden und es macht etwas mit ihnen. Nicht selten löst es Frustration aus.
Nicht nur Futter, Liegeplätze und Spielzeug können wichtige Ressourcen sind, sondern auch du. Falls dich das Thema „Ressourcenverteidigung“ interessiert, lies gerne hier weiter: “Was mein ist, ist meins – Umgang mit Ressourcenverteidigung.”!
Eifersucht, Frustration und das Gefühl, nicht gerecht behandelt zu werden, lösen unangenehme Emotionen aus, die auch immer mit den anderen Individuen verknüpft werden. Diese unangenehmen Gefühle und die vermeintliche Benachteiligung kann eure Bindung von einer sicheren zu einer unsicheren machen und die Beziehung belasten.
Mit einer Mischung aus gutem Training, Management und Struktur lässt sich das ganze jedoch verhindern und verändern. Dafür darfst du dann allerdings Zeit, Energie und Geld investieren. Hiermit würde ich nicht erst starten, wenn es kracht…
Aufmerksamkeit und Bedürfnisbefriedigung
Je mehr Hunde du hast, desto weniger kannst du dich um die Bedürfnisbefriedigung des einzelnen kümmern. Deine Aufmerksamkeit teilt sich zwischen allen auf. Dadurch wirst du dem Einzelnen gegenüber weniger Bindungsverhalten zeigen. Das hinterlässt natürlich Spuren in eurer Beziehung. Die Bindung kann dadurch weniger intensiv sein.
Erleichterung und Unabhängigkeit
Nicht für jeden Hund ist es gut, wenn du dich voll und ganz auf ihn fokussierst und er dich als einzige soziale Quelle hat. Viele Hunde, gerade diejenigen, die ihre Befindlichkeiten mit Menschen haben oder ihr Leben lang in einem guten Verbund gelebt haben, genießen die Mehrhundehaltung durchaus. Sie haben die Wahl, mit wem sie welches Verhalten austauschen und bekommen unter dem Strich mehr. Das kann für eure Beziehung erleichternd sein – insbesondere, wenn du sonst immer ein schlechtes Gewissen hast, weil du deinem Hund nicht alles schenken kannst. Bitte überlege dir allerdings gut, ob du das schlechte Gewissen wegen permanent zu wenig Zeit hast – das wird mit einem weiteren Hund nicht besser.
Bindung braucht Freiwilligkeit, Nähe und Distanz
Jedes Tier hat eine persönliche Schwelle, wie viel Nähe ihm gut tut. Das Unterschreiten dieser Schwelle fühlt sich nicht gut an. Die sogenannte Individualdistanz muss im Alltag eingehalten werden können. Mehr dazu kannst du hier lesen. Je mehr Tiere du also auf deinem begrenzten Raum anhäufst, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass sie das Spiel von Nähe und Distanz wirklich noch freiwillig und bedürfnisbefriedigend wählen können. Dieser Aspekt kann nicht nur die Beziehungen untereinander, sondern auch zu dir stören.
Das Fazit
Was denkst du – beeinträchtigt die Mehrhundehaltung die Mensch-Hund-Beziehung? In jedem Fall! Die Frage nach dem „Zum Guten oder zum Schlechten“ lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten! Erfahrungsgemäß wird sie nicht so intensiv, aber ist das wirklich schlechter?
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Hi, ich bin Anne. Gründerin von “Anders mit Hund” und der Anne Bucher Akademie. Meine Vision ist es, dass jede:r Hundehalter:in kompetente Unterstützung an der Seite hat um ein bedürfnisorientiertes Leben mit Hund:en zu führen! Ich freue mich, wenn ich deine Unterstützung sein darf!
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