Bindung zwischen Mensch und Hund
Was du über die Mensch-Hund-Beziehung wissen solltest
Vorab, wenn du nun einen Artikel erwartest, der dir in romantischer Art etwas über die unendliche Liebe deines Hundes zu dir und den wundervollen Seiten von Bindung zwischen Mensch und Hund berichtet, verlasse diese Seite. Ich werde dich enttäuschen. Ich bin eine Freundin von klaren Worten und ich habe mich lange gegen dieses Thema gesträubt. Warum? Weil mit diesem Thema so unglaublich viele überholte Mythen, schräge Trainingsmethoden und unlogische Interpretationen verbunden sind, dass die meisten Menschen auf meine Gedanken dazu empfindlich reagieren werden. Nicht, dass mich das stört, mir fehlt schlichtweg die Lust mich in unnütze Diskussionen zu stürzen mit Menschen, die glauben, dass Bindung etwas mit Gefolgschaft und Selbstaufgabe zu tun hat. Wenn du jedoch merkst, dass dieser Artikel dich piekst und du Lust auf einen Dialog mit mir dazu hast, lade ich dich herzlich in meine Facebook-Gruppe ein.
Dieser Artikel hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, nur muss ich bei diesem komplexen Thema ja irgendwo anfangen. Also lass uns loslegen und ich erweitere, wenn ich dazu Lust habe:
Warum der Begriff „Bindung“ mit Vorsicht zu genießen ist
Die Bindungstheorie stammt aus der Psychologie. Wer sich mit Psychologie beschäftigt weiß, dass dort aufgestellte Theorien nicht immer gut messbar sind. Nicht selten wird Psychologie als Pseudowissenschaft betitelt und die Diskussionen zwischen Biologen und Psychologen wird wohl noch ewig andauern. Erst seit den Forschungen im Bereich der Neurowissenschaften können die beiden Bereiche wohl von einem Bindeglied sprechen. Was die Naturwissenschaft stört, ist das was andere an der Psychologie fasziniert. Das Denken und Handeln von Mensch und Tier sind hochkomplex, vielschichtig und eben nicht immer gut mit Fakten zu untermauern. Theorien und Konzepte stützen sich aufeinander und es werden Spielräume für Interpretation und Fehlinterpretation geschaffen. Wenn wir dann noch beginnen, die Theorien aus der Psychologie von Menschen auf Hunde zu übertragen, ist Vorsicht geboten!
Was ist Bindung?
In der Psychologie geht es bei „Bindung“ immer um die Beziehung zweier Menschen zueinander. Bindung bezieht sich dabei auf Verhalten, dass im Kontext mit anderen Menschen oder bei deren Entfernen gezeigt wird. Dabei geht es zum Beispiel um das Suchen der Nähe dieser Personen, wenn die Umwelt bedrohlich ist, das Entfernen von der Person in einem spannenden Umfeld oder auch das Verhalten, wenn diese Person nicht da ist.
Unterteilt wird gerne in vier Bindungstypen:
- Sichere Bindung.
- Unsicher vermeidende Bindung.
- Unsicher ambivalente Bindung.
- Desorganisierte Bindung.
Die vier Bindungstypen zeichnen sich durch unterschiedliche Verhaltensmuster aus. In dieser Podcast Episode gehen Dr. Sandra Foltin und ich näher darauf ein.
Gibt es Bindung zwischen Mensch und Hund?
Na klar! Ansonsten wäre uns vieles im Alltag nicht möglich. Ich wehre mich nicht gegen den Begriff der Bindung, sondern vielmehr das, was daraus gemacht wird.
Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass einige Dinge der Psychologie auf die Mensch-Hund-Beziehung übertragbar ist. Sogar die Hormon- und Neurotransmitterausschüttungen sind miteinander vergleichbar.
Doch es gibt natürlich auch Unterschiede zwischen Menschen und Hunden und auch in der Mensch-Hund-Beziehung und der Eltern-Kind-Beziehung. Unsere Hunde sind nicht nur viel schneller erwachsen und leben dann in ihrer voll ausgeprägten Sexualität weiter mit uns zusammen, sondern wir können sie auch nicht vollständig in die Unabhängigkeit entlassen.
Wenn auch viele Dinge, wie die Emotionen, vergleichbar sind, so ist das Ziel des Zusammenlebens und Lernens wohl ein anderes.
Dennoch gilt für alle engen Beziehungen in unserem Leben, dass wir uns eine sichere Bindung wünschen.
Eine sichere Bindung zwischen dir und deinem Hund – Was bedeutet das?
Die sichere Bindung ist für mich immer das Ziel. Nicht selten fällt uns Menschen jedoch genau das sauschwer. Denn in einer sicheren Bindung heißt es auch, dem anderen Freiheiten zu lassen.
Eine sichere Bindung bedeutet:
- Es gibt das Bedürfnis von Nähe. Wird dein Hund von dir getrennt, hat er das Bedürfnis dir zu folgen und deine Nähe zu suchen.
- In schwierigen Situationen sucht dein Hund zu dir Nähe und den Schutz der Gruppe.
- Dein Hund zeigt im sicheren Umfeld Erkundungsverhalten und untersucht seine Umwelt eigenständig. Er kehrt zu dir zurück, wenn er müde ist, das Explorationsbedürfnis gestillt oder die Umwelt bedrohlich ist.
Kausale Irrtümer, die für mich „Bindung“ zum Triggerthema machen
Aus den oben beschriebenen Dingen werden nicht selten Aussagen, Tests und vorschnelle Urteile abgeleitet. Bindung lässt sich an Hand bestimmter Kriterien situativ beurteilen, aber nicht durch kurze Momentaufnahmen. Denn nur, weil dein Hund sich anders verhält, heißt das nicht, dass er keine oder keine sichere Bindung zu dir hat!
Es kann sogar das Gegenteil sein und ihr habt eine ganz besonders tolle. Denn Training und Routinen können deinem Hund natürlich beibringen gut alleine zu bleiben.
Bindung ist nur ein Aspekt im Mensch-Hunde-Leben. Es gibt viele weitere, die gemeinsam mit der Bindung ein Gesamtbild ergeben.
Wie kannst du die Mensch-Hund-Beziehung fördern?
Jede Form der freundlichen Kommunikation und Interaktion lässt Bindung entstehen und stärker werden. Vor allem das Erfüllen von Bedürfnissen trägt dazu bei. Dazu gehört das Stillen von Hunger ebenso wie Sicherheit und soziale Zugehörigkeit. Soweit so gut. Wann immer du als zuverlässige Bezugsperson ehrlich freundlich interagierst, tust du etwas für eure Beziehung. Viele Anregungen dazu kannst du in meinem Artikel “10 Tipps, um deinem unsicheren Hund mehr Sicherheit zu geben” lesen.
Für uns Menschen viel herausfordernder ist es oft, ihn auch seine eigene Erfahrung machen und eigenständig erkunden zu lassen. Auch, wenn er dann mal Fehler macht. Die Kunst ist es, deinem Hund soviel Freiheiten zu lassen, dass er froh ist, zurückzukehren, ohne dass es ihm, der Umwelt oder dir schadet.
Eindeutig keine leichte Aufgabe und eine große Verantwortung. Anderseits aber auch eine Gelegenheit viele wunderbare Momente und Erfahrungen miteinander zu teilen. Die Basis dafür ist es, deinen Hund gut lesen zu können, damit du Überforderung frühzeitig erkennst. In meinem Blogartikel “15 Anzeichen, an denen du Überforderung beim Hund erkennen kannst” erfährst du mehr dazu.
Was ist Gift für eine sichere Bindung zwischen deinem Hund und dir?
Das Schlimmste, was eurer Beziehung passieren kann ist, dass du nicht zuverlässig bist. Wenn du heute so und morgen so reagierst, mal strafst, mal belohnst – also mit Zuckerbrot und Peitsche agierst, wird es für deinen Hund unsicher. Er weißt nicht mehr, woran er ist. Mehr dazu kannst du im Übrigen gerne in meinem Webinar „Süßes, sonst gibt es Saures” erfahren.
Doch auch, wenn du versuchst alles zu kontrollieren, zu entscheiden oder deinen Hund in Watte zu packen und die Umwelt von ihm fernzuhalten, ist das für eure Beziehung nicht gut.
Die Bindung zwischen deinem Hund und dir muss auf Freiwilligkeit basieren, soweit das möglich ist. Denke dabei immer daran, dass dein Hund sich dein Leben nicht gezielt ausgesucht hat, er ist also an dieser Stelle der Freiheit beraubt. Umso mehr ist es unsere Aufgabe dies mit Achtsamkeit und Bedürfnisorientierung auszugleichen.
Der oft nett gemeinte Versuch, dass „wir das für unsere Hunde klären“ ist übergriffig und entzieht unseren Hunden das Recht auf Selbstwirksamkeit und eigene Emotionen. Sicher keine Basis für eine gute Beziehung.
Das Gegenteil, nämlich unseren Hund Angst aushalten zu lassen oder Artgenossen auszuliefern, weil „die das unter sich machen“ ebenso. Das Ziel sollte es immer sein, dass du für deinen Hund da bist, ihn leitest, wenn er sonst Dinge tun würde, die für jemanden vermutlich schadhaft sind. Ihn in seinen eigenen sinnvollen Strategien förderst und Schritt für schritt in vielen kleinen Lerngelegenheiten die Chance bietest adäquates Verhalten für deinen Lebensstil zu lernen. Genau das machen wir im Übrigen mit unseren Teilnehmer:innen in „Ein echtes Team“!
Warum ohne Bindung nichts geht und Bindung dennoch kein Garant für Trainingserfolge ist
Den Satz „ich will keine Bindung aufbauen, es ist nur ein Pflegehund“ habe ich verblüffend oft gehört. Vergiss es, denn gutes, bedürfnisbefriedigendes Training und auch ein friedliches Zusammenleben mit erfüllten Bedürfnissen baut Bindung auf. Ob du willst oder nicht… Dein Umgang mit deinem Hund beeinflusst welche Art von Bindung es ist, aber entstehen wird sie.
Eine sichere Bindung zwischen dir und deinem Hund ist eine tolle Basis um sich weiterzuentwickeln. Doch Bindung ist nichts, was sich mal eben trainieren lässt und dann sitzt. Viel mehr ist es das stetige Arbeiten an der gemeinsamen Kommunikation, der Achtsamkeit gegenüber dem anderen und das Wahrnehmen von Veränderungen und darauf einstellen. Wenn du dafür tolle Tools und Inspirationen haben willst melde dich jetzt zu meinem Kurs „Sicherheit schenken und Bindung stärken“ an und lasse dich für vier Wochen anleiten und inspirieren.
Eine sichere Bindung bedeutet aber nicht, dass du deinen Hund nun einfach überall anleinen kannst und er dir schon von alleine folgt. Oder, dass dein Hund nun alles tut, was du sagst. Geschweige denn sein Leben in deine Hände legt, damit du nun alles regelst und er sich einfach nur zurücknimmt. Dass dein Hund all das nicht tut, heißt auch nicht, dass er eine schlechte Bindung hat. Es hat schlichtweg nichts mit Bindung zu tun.
Trennungsstress – Die Kehrseite von Bindung
Trennungsstress hat schon etwas mit Bindung zu tun. Er gehört dazu – wie das Amen in der Kirche. Denn genau das macht Bindung aus, das Bedürfnis nicht von dir ferngehalten zu werden. Hunde können lernen die Zeit ohne uns zu überbrücken und sich dennoch gut und sicher zu fühlen. Und wenn sie es gut gelernt haben, dann geht es ihnen während deiner Abwesenheit nicht schlecht.
Deswegen freue dich bitte, wenn dein Hund gut alleine bleiben kann und habe keine Angst, dass ihr keine Bindung habt und lasse dir das auch nicht einreden.
Mehr zum Thema Trennungsstress kannst du hier nachlesen „Mein Hund kann so schwer alleine bleiben“!
Schwachsinnsbemerkungen, wie: „Der hat einfach keine Bindung…”
Du merkst, das Thema Bindung ist komplex und pauschale Urteile über Mensch-Hund-Beziehungen absoluter Schwachsinn. Deswegen tue mir einen Gefallen, wenn dir jemand erzählt, dass dein Hund keine Bindung hat, weil er z.B. gerne erkundet, gut alleine bleibt oder nicht immer hört, dreh dich um und gehe.
Weitere Blogartikel zum Thema Bindung:
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