Therapiehund ausbilden für die Kinder- und Jugendarbeit – So geht es!
Für diesen Artikel habe ich mich mit meiner Kollegin Anja Landler vom Pfoten.land getroffen. Anja ist tiergestützte Sozialarbeiterin und hat nicht nur viele Jahre Erfahrungen in dem Bereich mit den eigenen Hunden gesammelt, sondern bereitet Mensch-Hunde-Teams auf diese Arbeit vor und steht ihnen im Rahmen einer Therapiebegleithundeausbildung und darüber hinaus zur Verfügung. Warum man keinen Therapiehund ausbilden lassen kann und dennoch eine Ausbildung wichtig ist, darüber haben Anja und ich gesprochen.
Warum kann man keinen Therapiehund ausbilden lassen?
Ob Therapiehund, Therapiebegleithund oder Besuchshund – es gibt keine offiziellen Unterschiede, zumindest in Österreich – es ist immer dasselbe Prinzip. In der tiergestützten Intervention arbeitet ein Mensch-Hund-Team mit Klienten. Therapiehunde ausbilden bedeutet nicht, dass ein Hund etwas beigebracht bekommt, was er abspielt, sondern, dass ein Mensch-Hunde-Team gemeinsam lernt um, im Anschluss als Duo zu wirken. Dies lässt sich nicht durch eine externe Ausbildung zum Therapiehund bewirken, ebenso wenig durch eine Zucht.
All diese Kriterien geben uns das Gefühl vielleicht weniger Energie und, Zeit in eine Ausbildung investieren zu müssen. Eine Annahme, die sich als absolut falsch erweisen kann. Denn im Prinzip zählen weder Herkunft noch Vorerfahrung, wenn man einen Therapiehund ausbilden will. Es zählt die Bereitschaft, gemeinsam mit dem Hund zu lernen, in die Tat umzusetzen, Erfahrungen zu sammeln und zu reflektieren.
Wie kann ich meinen Hund dann zum Therapiehund ausbilden – geht das auch selber?
In Österreich ist das nicht erlaubt. Du musst das dort in einer Ausbildungsstätte machen lassen, welche sich an die entsprechenden Richtlinien hält. In Deutschland ist es nicht so explizit geregelt.
Doch unabhängig der Vorschriften: Einen Hund als Therapiehund auszubilden bedeutet auch selber viel zu lernen. Sicher kann man sich einiges Autodidakt beibringen, doch an bestimmten Stellen ist damit einfach Schluss. Eine gute Ausbildung zum Therapiebegleithund bereitet auf viele Facetten im Einsatz vor. Dem Umgang mit den Klient:innen, die Kommunikation mit begleitenden Menschen, die Gestaltung der Einsätze, das Wissen um den Hund und vor allem das Eintreten und Bestärken des Hundes im Einsatz.
Anja rät daher dringend davon ab ohne eine vernünftige Ausbildung in einsatzähnliche Situationen zu gehen oder selber Ausbildungsversuche ohne Anleitung zu unternehmen. Das Gleiche gilt für Ausbildungen, in denen der Hund einfach nur lernt die Dinge über sich ergehen zu lassen. Sie sagt: „Die Zeiten in denen der Hund im Einsatz einfach nur erdulden soll, sind zum Glück vorbei. Wir brauchen eigenständige Hunde, die in der Lage sind mit uns zu kommunizieren ohne, dass es für sie oder andere gefährlich wird“.
Eine Therapiebegleithundeausbildung beinhaltet also eine ganze Menge und leitet dich durch viele Themengebiete, sowohl zugeschnitten auf deinen Fachbereich, als auch ganz allgemein.
Ein Therapiehund für Kinder- und Jugendarbeit ist das automatisch ein Schulhund?
Es gibt verschiedene Bereiche, auch im Kinder- und Jugendbereich, wo die Hunde eingesetzt werden. Wir haben zum Beispiel den großen Bereich der Pädagogik, zu dem auch der Schulhund gehört. Ein Schulhund ist ein „Präsenzhund“. Er verbringt mehr Zeit mit den Kindern. Ein Besuchshund kommt punktuell in den Einsatz. Der Einsatz der Besuchshunde ist breit gefächert, für alle Bereiche der Pädagogik, Psychologie und Therapie. Die Aufgabe beider Hundetypen ist extrem anstrengend für den Hund und braucht eine jeweils andere Vorbereitung. Anja bildet lediglich Teams aus, die sich als Besucher agieren möchten, nicht als Schulhunde.
Was macht ein Therapiehund mit den Kindern?
In erster Linie ist er da! Er kommuniziert frei, zeigt, was er möchte oder eben nicht.
Vielleicht möchte er sich füttern oder gar berühren lassen, spielt mit den Kindern oder sucht den Kontakt. Vielleicht hat er dazu aber auch (heute) keine Lust. Alle diese Facetten beinhalten viele Lernerfahrungen für die Kinder. Sie lernen, wann es wahrscheinlicher wird, dass der Hund zu ihnen kommt, wie er ihnen zeigt, was er will und was nicht.
Das wichtigste ist, der Hund darf authentisch sein. Auch wenn man im Rahmen der Therapiehundeausbildung darauf vorbereitet, dass Kinder schon mal gedankenverloren, ungestüm und rücksichtslos sein können, muss er das nicht kommentarlos über sich ergehen lassen. Er darf sich jederzeit entziehen, er darf weggehen und auch verweigern, dass er interagiert. Er lernt jede Menge Strategien dies auf eine – für uns Menschen – gesellschaftskonforme und höfliche Art zu kommunizieren.
Einen Therapiehund ausbilden bedeutet also Kommunikation trainieren!
Es ist einer der wichtigsten Aspekte einer Ausbildung im Bereich der Therapiehunde, dass der Hund lernt, für uns sichtbar und ungefährlich zu kommunizieren! Er braucht einen eigenen Willen und das Wissen, dass dieser respektiert wird. Umgekehrt darf er auch nicht gleich stark gestresst sein oder gar explodieren, wenn man trotz aller Umsicht seine Kommunikation übersieht. In der Arbeit mit Therapiehunden hat man oft Klient:innen, die in einer emotional oder körperlich schwierigen Lage sind. Der Hund muss auf eine für ihn, die Klient:innen und uns angenehme Art damit umgehen können. Dafür benötigt er ein gutes Kommunikationsrepertoire und eine achtsame Bezugsperson als Moderator:in in der Situation, die auch bereit ist für ihn einzutreten und ihn vor jedweden kleinen und großen Übergriffen, Überforderungen und Überlastungen zu schützen.
Wird hier auf Hemmung der Hundekommunikation gesetzt, kann das schlimme Auswirkungen haben:
Der Hund verliert an Authentizität und der Einsatz an Wirkung.
Die Lebensqualität des Hundes wird verringert.
Die Gefahr einer Grenzverletzung, bei der die Hemmung nicht reicht, besteht. Hier bestünde das hohe Risiko von einer Enthemmung mit deutlichem Aggressionsverhalten.
Die Hemmung und Unterdrückung von Kommunikation, wie z.B. Knurren, kann also auch in diesem Bereich nicht das Mittel der Wahl sein!
Anja sagt dazu:
„Ein Grundsatz der tiergestützten Intervention ist: Es kann nur Interaktion stattfinden, wenn sie auf beiden Seiten freiwillig ist.“
Anja Landler
Was für einen Hund kann ich zum Therapiehund ausbilden?
Im Prinzip lernen dein Hund und du in einer Ausbildung alles Notwendige. Damit man da in die Tiefe gehen kann, ist eine Entscheidung für einen Bereich, wie zum Beispiel die Kinder- und Jugendarbeit, ratsam. Die Basis der einzelnen Bereiche ist gleich, doch natürlich gibt es mit unterschiedlichen Einsatzzwecken, auch unterschiedliche Herausforderungen.
Dein Hund muss weder einer bestimmten Rasse angehören, noch aus einer speziellen Zucht kommen. Es gibt auch viele Tierschutzhunde, die als Therapiehunde ausgebildet werden. Viel wichtiger sind bestimmte Grundeigenschaften deines Hundes, die eben die Situation begünstigen oder erschweren.
Ein Hund, der eher schreckhaft vom Wesen her ist, erschrickt sich leichter, wenn Kinder zum Beispiel mal ein Spielzug auf den Boden scheppern. Anjas Hündin Aida ist mal in eine solche Situation gekommen. Während Anja die Situation noch vorbereitete, räumte das Kind wütend ein Regalfach mit einer Armbewegung leer. Aida konnte damit umgehen, sie hat aufgeschaut und ist zu ihrem mobilen Rückzugsort gegangen. Auch ein kurzes Verlassen des Raumes oder Erschrecken wäre in Ordnung gewesen. Ein Hund, der jedoch eine lange Zeit, braucht um so etwas zu verdauen, wäre überfordert.
Doch nicht nur ein besonders schreckhafter, sondern auch ein leicht zu ängstigender, zu hemmender oder erregter Hund hat einen schwierigeren Weg in dem Bereich. Vielleicht ist der Weg für ihn auch zu belastend oder zu steinig und er ist nicht geeignet.
In Anjas 5 Tage gratis Programm „Traumberuf Therapiebegleithund!?“ Kannst du herausfinden, ob der Weg für euch möglich wäre. Hier kannst du gratis daran teilnehmen. Das erste Mal findet das gratis Programm vom 02.-06.08.2021 statt.
Damit sich die Persönlichkeit schon entwickelt hat, ist in Österreich ein Alter von mind. 2 Jahren festgelegt. Eine Regelung, die ich mir auch in Deutschland wünschen würde. Genug Zeit zum Reifen und zum Lernen! Denn eine gute Ausbildung hat man nicht in einigen Wochen absolviert. Bei Anja dauert sie 18 Monate und sorgt für einen ausgeglichenen Alltag zur Erholung und Bedürfnisbefriedigung, ebenso wie für eine gute Vorbereitung auf den Einsatz. Ich freue mich, dass ich die Teilnehmer:innen im Rahmen von „Ein echtes Team“ mitbegleiten darf. Dieses gehört zur Ausbildung, damit du und dein Hund im Alltag keine Baustellen mitschleppen, die euch belasten und damit den Weg zum Therapiehund begleiten.
Selbstverständlich muss der Hund gesund sein. Ein Hund mit Schmerzen oder Vorerkrankungen hat bereits Belastungen, auf die ein Job on top einfach zu viel wäre.
In Österreich sind zudem keine Qualzuchten als Therapiehunde erlaubt.
Kann jede:r einen Therapiehund einsetzen?
Ein Therapiehund wird nicht alleine durch die Ausbildung zum Therapiehund. Wichtig ist, dass er eine Säule in einem Konzept ist, das eben therapiert. Das kann nur von fachkundigen Menschen aufgestellt werden. Der Hund ist ein Part davon. Damit dein Hund als Therapiehund eingesetzt werden kann, brauchst du also eine entsprechende pädagogische oder therapeutische Ausbildung. Alternativ kannst du auch in Kombination mit einem entsprechenden Menschen zusammenarbeiten. Dann übernimmt dieser die Betreuung der Klient:innen und du bist die Bezugsperson für deinen Hund. Eine Rollenverteilung, die mehr Abstimmung braucht, aber auch ihre Vorteile hat.
Denn ein Hund ist immerhin ein Individuum mehr in der Situation, das Aufmerksamkeit braucht. Hast du die Rolle des Coaches, Therapeuten oder Pädagogen, des Moderators zwischen Hund und Klient:in, ist deine Aufmerksamkeit immer geteilt. Es ist für dich auch anstrengend – nicht nur für den Hund.
Außerdem brauchst du natürlich ein Konzept, dass auch ohne den Hund funktioniert, denn der kann keine 36 Stunden Woche absolvieren und will außerhalb der Einsätze gut versorgt sein. Grundsätzlich solltest du ihn nicht mehr als zweimal die Woche für maximal 40 Minuten einplanen. Der Einsatz eines Therapiehundes darf also nicht hauptverantwortlich für deinen Lebensunterhalt sein.
Was ist das Besondere an der Kinder- und Jugendarbeit, wenn ich meinen Hund in dem Bereich ausbilden will?
Während es sich im Bereich der pflegebedürftigen Menschen oft im Bereich der Biographiearbeit bewegt, ist bei Kindern das Bearbeiten von Ängsten, das Entwickeln von Strukturen und auch der Zugang zum „Kumpel Hund“ wesentlich. Spielerisches Lernen und Erfahrungen sammeln, zum Beispiel durch Innehalten und Warten und dafür vom Hund mit Nähe beschenkt werden, ist für viele Kinder eine echte Bereicherung.
Das Überwinden von Ängsten, das Erleben vom Sinn einer Struktur, z.B. im Rahmen der Vorbereitung des Hundebesuchs, oder auch das Fühlen eines schönen Momentes und das Erinnern an den Besuch sind wertvoll.
Dabei geht es nicht nur um Kinder, die Ängste vor Hunden haben, sondern auch um diejenigen, denen das Leben bisher nicht viel Freude schenkt, die sich nicht gut öffnen können oder niemanden vertrauen. Der Therapiehund ist oft eine Brücke zwischen ihnen, den Therapeuten oder Pädagogen und den Eltern.
Nicht nur die Kinder lernen! Auch die Pädagogen und Eltern bekommen manchmal eine neue Perspektive geschenkt, so kann so mancher „Störenfried“ im Umgang mit dem Hund auf einmal andere Gefühle und Verhalten zeigen und den Erwachsenen die Augen öffnen, dass es Ursachen gibt, die vielleicht bisher verborgen waren.
Anja, was waren die Highlights der Arbeit mit einem Therapiehund für dich?
Anjas Augen leuchten, als ich sie das frage. Die Stimme wird weicher. „Es sind die Momente, in denen du weißt, dass es dem Kind gut geht und dein Hund und du einen Beitrag geleistet haben, auch wenn es nur ein schöner Moment oder eine Erinnerung ist.“
Doch Anja warnt auch, dass es eine wichtige Aufgabe ist, sich zu reflektieren und zu hinterfragen, warum man eine solche Therapiehundeausbildung machen will. Geht es darum eigene Wunden zu heilen? Die eigenen Bedürfnisse, aus einem Mangel heraus zu stillen? Dann ist man in Gefahr sich nicht abgrenzen und sich nicht auf das Gute konzentrieren zu können, sich in der Arbeit zu verlieren und über die Grenzen von Hund und Mensch zu gehen.
Die Motivation spielt eine große Rolle – ein weiterer wichtiger Aspekt in der Ausbildung. Für Anja war es im Übrigen das Bild des Hundes in der Gesellschaft, was sie auf die Idee brachte, in diesem Bereich aktiv zu werden.
Und für mich? Warum ich Anja und dieses Projekt unterstütze? Weil ich selber erfahren durfte, wie wichtig meine vierbeinigen Wegbegleiter für mich als Kind und Jugendliche waren und zugleich, wie wichtig ein gesunder ausbalancierter Umgang mit ihnen war. Anderseits sehe ich viele Ausbildungen und Einsätze im Bereich der „dogs with jobs“, die meinen Ansprüchen nicht genügen, weil sie weder den Hunden, noch den Klient:innen gerecht werden. Meine Skepsis gegenüber diesem Arbeitsbereich bleibt. Sie ist größer bei Assistenz- und Präsenzhunden, als bei Besuchshunden, doch auch hier: Ich sehe den Sinn und die Gefahr. Mit meinem Engagement möchte ich sensibilisieren und die nachhaltigen Projekte, dies es anders machen, wie das von Anja unterstützen.
Sehen wir uns bei Anjas Gratisprogramm? Ich mache mit. Auch, wenn ich mit meinen Hunden und Pferden den Weg nicht gehen will, bin ich neugierig, ob wir es könnten!
Höre auch gern in unsere Podcast Episode #51 Therapiebegleithunde – Was macht eigentlich ein Therapiehund und wie wird ein Hund dazu?
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