5 Laufmuster für dein Hundetraining
„Sitz still und konzentriere dich mal.“
„Schau mich an, wenn ich mit dir rede.“
„Lauf endlich geradeaus, du willst doch auch mal ankommen.“
Ich hatte eine schöne Kindheit. Meine Eltern sind toll. Sie haben sich redlich Mühe gegeben anders zu sein, uns frei sein zu lassen, zu ermutigen und Kreativität zu fördern. Und dennoch könnte ich dir eine seitenlange Liste von Sätzen, wie denen da oben machen.
Wir alle haben gelernt uns anzupassen, nicht aufzufallen und der Norm zu entsprechen. Und wir geben dies an unsere Hunde weiter.
Wir erwarten, dass:
sie uns ansehen, um uns ihre Aufmerksamkeit zu demonstrieren.
an unserer Seite laufen und die eigenen Empfindungen unterdrücken.
ihr Leben in unsere Hand legen und uns die Dinge klären lassen.
Welche Beleidigung und Verachtung ihrer Persönlichkeit, ihrer Intelligenz und ihrer Natur. Und warum das alles? Damit wir das Gefühl haben, die Situation unter Kontrolle zu haben.
Die Natur kennt keine Ecken. Sie kennt keinen Stillstand und auch das Ziel lautet nicht immer „ankommen“. Das gilt auch für unsere Hunde.
Für sie ist vieles, was für uns im Laufe unserer Jugendentwicklung und des Erwachsenwerdens normal wurde, utopisch.
Ihr Gehirn verlangt nach einigen wichtigen Bewegungsmustern, damit es sich gut durch die Umwelt bewegen kann. So will es zum Beispiel explorieren. Also erkunden, neugierig sein und dabei das Umfeld checken.
Explorieren ist gefährlich, denn während man erkundet, sind die Sinne abgelenkt. Deswegen ist es anstrengend und lastet aus.
Explorieren ist wichtig, denn ohne Erkundung findet man keine überlebensnotwendigen Ressourcen.
Nicht explorieren macht dumm und ängstlich, denn das Gehirn bekommt keine Anreize mehr und braucht sich nicht mehr entwickeln. Mehr dazu erfährst du auch in diesem Podcast-Interview mit Dr. Sandra Foltin.
Was macht man beim Explorieren? Man erkundet, läuft Zickzack, Bögen, schnüffelt, klettert, orientiert sich und sammelt Informationen! Alle Sinne sind im Einsatz, das Gehirn veranstaltet ein Feuerwerk und der Körper wird gefordert.
„Der gesunde und glückliche Hund zeigt Neugier- und Erkundungsverhalten.“ lautet einer der Lieblingssätze von Dr. Ute Blaschke-Berthold.
Der Umkehrschluss: Ein Hund der das nicht zeigt, ist nicht gesund oder nicht glücklich. Wer allerdings auf Dauer nicht glücklich ist, wird auch nicht gesund bleiben… Angst und Stress machen zum Beispiel Erkundungsverhalten kaputt und so auf Dauer krank. Deshalb solltest du auch nicht auf Gewöhnung setzen, wenn du einen Hund mit vielen Ängsten hast, dazu habe ich hier schon einiges geschrieben.
Was hat das denn jetzt mit den Laufmustern zu tun und wieso schreibe ich über Exploration, wenn du doch ein Begegnungsproblem hast oder dein Hund an der Leine zerrt?
Weil ich will, dass dir eines bewusst ist:
Was für dich „normal“ ist, weil unsere Gesellschaft das für richtig hält und die Masse es macht, ist für unseren Hund alles andere als „normal“ oder gar biologisch sinnvoll!
Ich will dich nicht dazu bringen, dass du deine Hunde ab sofort alles machen lässt und strukturlos durch die Gegend rennst. Im Gegenteil: Ich wünsche mir, dass du dein Handeln hinterfragst und sinnvolle Strukturen für dich und deinen Hund etablierst – unabhängig von der Norm!
Deswegen lass uns schnell in die Praxis eingehen und uns einen Weg betrachten, wie du genau das tun kannst. Nur noch eine Frage vorab:
Wer nähert sich frontal und geradlinig?
Wer sich schnurstracks, von vorne oder oben nähert, kommt nicht in friedlicher Absicht. Er hat kein Interesse an ergänzenden Informationen. Er will jagen, vertreiben oder wenigstens hemmen. Mehr dazu erfährst du mit Bezug auf die Hund-Hund-Kommunikation in meinem Artikel „Hundekontakte hinterfragt“ und in Bezug auf die „Hund-Mensch-Kommunikation in meinem Artikel „Darf man Hunde blocken?“.
Immer wieder erwähnen wir das Thema Laufmuster im Zusammenhang mit den Themen Erregung, Leinenführigkeit und Begegnungen. Das ist kein Zufall. Denn die Laufmuster sind ein Schlüsselelement für den Umgang mit unseren Hunden.
Hast du einige der Laufmuster ordentlich trainiert und in deinen Alltag integriert, geben sie deinem Hund und dir die Struktur für viele herausfordernde Alltagssituationen.
Ja, es klingt total banal. Da suchen wir verzweifelt nach dem Signal, der Übung oder dem Rezept und nun komme ich mit den Laufmustern daher. Doch lass dir gesagt sein, sie sind nicht nur hocheffektiv, sondern bieten auch eine Menge Trainings- und Übungsmöglichkeiten.
Für uns sind die folgenden Laufmuster unentbehrlich – nicht nur in Begegnungen. Auch für den Bewegungsapparat, das Erregungslevel und die Leinenführigkeit.
Oft werde ich gefragt, ob ich die Laufmuster mit einem Signal verknüpfe oder ankündige. Grundsätzlich gilt, dass ein Signal erst eingeführt wird, wenn dein Hund und du das Verhalten sicher zeigen kann. Sonst verknüpfst du mit dem Signal zu viele falsche Bewegungen.
Ich trage allerdings immer Sorge dafür, dass meine Hunde eine faire Chance haben Richtungswechsel und Bewegungsänderungen so früh mitzubekommen, dass die Leine locker bleibt. Eine lockere Leine heißt für uns, der Karabiner folgt der Schwerkraft.
Solange ich kein Wortsignal habe, spreche ich sie also vorher z.B. mit dem Namen an und warte, bis sie mir ihre Aufmerksamkeit schenken. Mein Markersignal und passende Belohnungen an den richtigen Orten, helfen mir ebenfalls beim Dirigieren.
Und wenn du jetzt denkst: „Das klappt bei mir aber in den Situationen, in denen ich es brauche nicht.“, dann hast du dich gerade selbst ertappt. Training verändert Situationen, sonst könnten wir es uns ja ersparen. Das heißt aber nicht, dass wir es in den Situationen starten.
Die Laufmuster kannst du bequem täglich auf deine Spaziergänge einbauen und vielfältig üben, je routinierter ihr werdet, desto eher klappt es auch in schwierigen Situationen.
Den konkreten Aufbau lehren wir in „Ein echtes Team“. Im Selbstlernkurs „Basics für Begegnungen“ findest du Anleitungen für die ersten Schritte.
Hier kommt ein Überblick:
1. Das „U“
Kehrtwendung, U-Turn – nenn’ es wie du willst. Dahinter verbirgt sich eine 180° Wendung . In diesem Artikel habe ich dir den Aufbau beschrieben und in unserem Selbstlernkurs „Basics für Begegnungen an der Leine“ erhältst du einen konkreten Trainingsplan.
Das Ziel des “U”s ist schnell wegkommen aus überfordernden Situationen und einen geordneten Rückzug antreten.
Du machst also auf dem Absatz kehrt. Das ist für deinen Hund besonders dann nicht ganz einfach, wenn er den anderen im Auge halten will.
Die Kehrtwendung mit deinem Hund solltest du nur aus der Distanz, nicht aus dem Nahkontakt machen. Denn das schnelle abwendende Weggehen kann den anderen Enthemmen und dafür sorgen, dass er erst recht zu euch gestürmt kommt. Das weiß dein Hund auch, deswegen ist das Abwenden ja so schwer für ihn!
Trainiere das U immer mal wieder aus heiterem Himmel, vor allem vor uneinsichtigen Kurven oder Ecken.
2. Das „C“ – Einen Bogen laufen
In einem Bogen läuft es sich freundlicher und besser an anderen Hunden und Menschen vorbei. Nutze viele eurer Begegnungen, auch mit Menschen, die kein Problem darstellen oder baue „trocken“ Bögen ohne Begegnungen in eure Spaziergänge ein.
3. Das umgekehrte „L“
Gerade auf etwas zu und dann scharf abbiegen gehört zu den anspruchsvolleren Laufmustern. Achte darauf, dass du deinen Hund bereits neben dir hast oder er seine Aufmerksamkeit bei dir hat, ehe ihr abbiegt.
Idealerweise ist der Hund bei der Kurve außen, damit du ihn nicht abdrängst oder versehentlich blockst. Blocken wäre für ihn unangenehm, dazu kannst du auch hier mehr lesen.
Ich übe das scharfe Abbiegen immer mal wieder aus heiterem Himmel, dann machen wir für 2-3 Minuten etwas Nettes stationäres am Wegesrand bzw. im Wald und dann kehren wir zurück auf den Weg. Das wirkt Wunder.
4. Das „Z“ oder das „S“
Im Zickzack oder Schlangenlinien auf etwas zu oder von etwas weg ist super sinnvoll. Dein Hund kommt nicht in die frontale Position, er kann nicht den anderen anstarren oder selber zur Salzsäule werden, sich hinlegen etc. Du bleibst in Bewegung und hast so die ideale Möglichkeit das Feld auch noch zu räumen.
Das Handling ist gewöhnungsbedürftig, insbesondere, wenn du deinen Hund nicht drängen willst. Du wärst die erste, die es sofort hinbekommt. Also setze dich nicht unter Druck, sondern baue es in jeden Gassigang ein.
Erst ohne Auslöser, dann vielleicht an einer spannenden Strecke, dann bei der Verfolgung eines Auslösers und dann auf einen zu.
5. Das scharfe „S“
Beim „ß“ läufst du noch 1-2 Bögen auf einen Auslöser zu ehe du in einer Kehrtwendung den Rücktritt antrittst.
So kannst du mit deinem Hund Schritt für Schritt wieder in schwierigere Situationen herein. Ihr nähert euch immer nur so weit, wie es euch gut tut.
Wie du DICH dabei unterstützen kannst, erfährst du in unserer Podcast Episode #32.
Bei allen Laufmustern gilt: LOCKERE LEINE! Lass dir Zeit, trainiere täglich 1-2 Laufmuster und sei dabei großzügig mit den Belohnungen. Ich trainiere mit den Teams zu Beginn kurz, damit es nicht zu anstrengend wird. Kein Hund und kein Mensch brauchen stupides Leinenführigkeitstraining über lange Zeit und große Strecken. Wir wollen doch beim Spaziergang die Sinne schweifen lassen!
Auf Wegen lässt es sich leichter üben, als auf freiem Feld. Ich bin ohne „Hilfslinien“ wie Wegesränder nämlich nicht in der Lage vernünftige Bögen und Linien zu laufen.
Alle Laufmuster lassen sich im Übrigen super in einen Social Walk oder dein selbstgestaltetes Begegnungstraining einweben. Mehr Anregungen dazu findest du auch in unserem gratis Trainingsguide.
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