Mobbing auf der Hundewiese und in der Hundeschule
„Hunde brauchen Sozialkontakte.“ Ein Satz mit Folgen. Denn diese pauschalisierte Aussage führt dazu, dass Tag für Tag Hunde in Situationen kommen, die der Sozialisierung dienen sollen und das Gegenteil verursachen.
Ob auf der Hundewiese, dem Hundespielplatz, einigen HuTas oder Pensionskonzepten oder in fragwürdigen Hundeschulformaten, wie der Spiel- oder Raufergruppe, die Hunde lernen primär nicht das, was wir im Alltag gebrauchen können.
Es wird gerauft, getobt, gebalgt und gemobbt. Das Recht der Stärkeren und Gröberen siegt. Beobachtet man diese Gruppen, erkennt man verschiedene Typen und Strategien mit der Situation umzugehen:
So mancher Hund wird solange belästigt, bis er explodiert und dann lernt, dass all seine Deeskalationsversuche nutzlos waren, sein Aggressionsverhalten ihn aber ans Ziel – endlich Abstand – gebracht hat. Andere geben auf und sorgen dafür, dass sie einfach nicht mehr auffallen.
Die vermeintlich Starken sind so gestresst dadurch, dass sie dauernd ihre Stärke demonstrieren müssen, um nicht zum Opfer zu werden, dass sie kaum noch erkunden.
Der „So Erfreute, der es kaum erwarten kann“ ist oft nichts anderes als ein vollkommen überdrehter und gestresster Hund, der Spielen als Bewältigungsstrategie gelernt hat.
Ich könnte dir noch zig Typen nennen. Und sie alle haben eines gemeinsam: Es tut ihnen nicht gut. Sie sind Teil einer Vermenschlichung geworden, die bei uns als Kindern schon nicht funktioniert hat. Oder wolltest du in der Schule alle als Spielfreunde? Ich habe es gehasst, wenn meine Mutter uns zu bestimmten Freundinnen mitgenommen hat, weil wir dann so schön mit deren Kindern spielen konnten! Eigentlich ging es nämlich nicht um uns. Die Mütter wollten Zeit verbringen.
Hunde brauche Sozialkontakte – aber nicht alle und nicht um jeden Preis. Wie ein guter Kontakt aussieht, kannst du in meinem Artikel „Hundekontakte hinterfragt“ nachlesen.
Ich verstehe das Bedürfnis, Hunden die Möglichkeit von Kontakten zu Artgenossen zu geben, doch ein Pulk von Hunden ist meistens keine gute Idee!
Spielen – ein Mythos
Erwachsene Hunde, also nach Eintritt der Geschlechtsreife, denn damit endet die Pubertät und die Adoleszenz beginnt, spielen nicht mehr allein um des Spielens willens.
Dein Hund spielt nicht mir dir? Dann schau dir diesen Blogartikel an.
Ein wirkliches Spielen macht dann immer noch Spaß. Doch es ist eher dafür da Konflikte zu klären, Grenzen zu testen und Beziehungen zu intensivieren. Macht man sich das bewusst, sind zwei Sachen naheliegend:
Die Ursachen warum das Spiel so schnell kippt und dann in Raufereien oder wildem Gehetze endet.
Spielen mit fremden Hunden ist vor allem das Klären von Konflikten.
Beobachtet man die Interaktion zwischen Hunden auf Hundewiesen ist es selten ein ausgewogenes und eindeutiges Spiel – geschweige denn ein Harmonisches. Viel eher sieht man Rangeleien, Toben und Raufen.
Und ja, das macht einen Unterschied! In unserer Podcast Episode #38 „Spielen zwischen Hunden“ erzählen Anja und ich dir mehr dazu.
Spielgruppen sind für mich eine Steigerung von Hundewiesen. Hier ist der Raum in der Regel begrenzter und noch mehr Hunde auf einem Haufen. Dazu bewegen die Menschen sich nicht vorwärts. Es bleiben also noch weniger Optionen den Artgenossen aus dem Weg zu gehen.
Gut geführte Hundepensionen und HuTas bestehen nicht aus Hunden, die den Großteil des Tags im Pulk toben und spielen. Ansonsten ist es wie eine tagelange Spielgruppe – es kostet Energie, birgt viele Konflikte und eine Überreizung ist wahrscheinlicher, als eine sinnvolle Lösung.
Aber er geht so gerne dahin!
Der Bezug von Begegnungsproblemen an der Leine zu Hundewiesen und Spielgruppen scheint zunächst nicht ersichtlich. Im Gegenteil, der auf dem Weg zur Spielgruppe oder der Hundewiese schon stark erregte und häufig bellende oder in der Leine hängende Hund wird als „freudig“ empfunden.
Schaut man sich die Körpersprache der Hunde an, erkennt man jedoch häufig Stressanzeichen. Die Erregung ist keine Vorfreude, sondern schlichtweg erlernt und mit der Situation verknüpft.
Das Problem: der Hund verknüpft Artgenossen immer wieder mit starker Erregung, Konflikten und den Momenten in denen er nicht ausweichen kann.
Das äußert sich dann auch an der Leine und entlädt sich in den Begegnungen.
Noch übler wird es, wenn diese Spielgruppen dann auch noch mit „Ruheübungen“ kombiniert werden oder die Trainer sicherheitshalber mit Wurfgeschossen und Wasserflaschen hantieren – spätestens hier lohnt es sich, mal bei der zuständigen Aufsichtsbehörde (aka Veterinäramt) nachzuforschen, ob das in deren Sinne ist.
Wenn du eine Gruppe aufsuchst in der AUCH gespielt wird, schaue bitte nach folgenden Kriterien:
Das Spielen findet immer nur zu zweit statt.
Es ist Bestandteil eines Konzeptes, aber nicht die Basis.
Spielpartner werden mit Bedacht ausgewählt, es wird dabei auch auf die Tagesverfassung geachtet.
Es stehen immer ausreichend andere spannende Dinge zur Verfügung, sodass die Hunde auch anders Stimulation erfahren können.
Sucht ein Hund den Kontakt zu Menschen wird das nicht verwehrt. Er wird zu keiner Zeit zum Spielen überredet oder gezwungen.
Es wird darauf geachtet, dass die Hunde von der Ankunft bis zur Abfahrt begleitet und betreut werden, sodass der Ort gelassen aufgesucht und verlassen wird.
Natürlich ist es nicht
Freilebende Hunde haben wenig bis keine Sozialkontakte außerhalb ihrer Gruppe. Wölfe wählen ihren Lebensraum so, dass sie die Mitte hinbekommen zwischen genug Nahrung für die Gruppe und möglichst wenig gruppenfremde Artgenossen treffen.
Es ist also aus Sicht der Biologie nicht natürlich sich mit anderen zu treffen um mal ordentlich zu spielen und Sozialkontakte zu haben. Sie bedeuten immer auch Gefahr. Eine Annäherung findet mit Hintergedanken statt:
ein Fortpflanzungspartner wird gesucht.
eine neue Gruppe zum Leben wird gesucht um gemeinsam Bedrohungen von außen stand zu halten.
ein Konkurrent wird in Augenschein genommen und ggf. vertrieben.
In einer Gruppe wird durchaus gespielt, aber sehr dosiert und es dient dazu das Gruppengefüge zu stärken.
Spiel oder Ernst – vielleicht sogar Mobbing?
Ein Spiel ist nur dann als sinnvolles Spiel anzusehen, wenn es alle Beteiligten freiwillig und frei von Angst und Stress machen. Sieh genau hin. Woran du Stress beim Hund erkennst, erfährst du in diesem Artikel.
Übertriebene Gesten, runde Bewegungen, abwechselnde Rollen, kleine Pausen deuten auf halbwegs sinnvolles Spiel hin – fehlt eines, wird es kritisch.
Die oft zitierte „Vorderkörpertiefstellung“ ist auch die Position aus der man am schnellsten in alle Richtung stellen kann. Nicht selten ist sie eine Konflikthaltung – auch wenn die Vorderläufe weit auseinanderstehen und die Brust den Boden berührt.
Jeder hat das Recht zu beenden und es wird akzeptiert! Ein super wichtiger Aspekt. Dein Hund hat sich aus dem Spiel zurückgezogen, doch der andere fordert ihn immer wieder auf? Vielleicht bedrängen sogar mehrere Hunde immer wieder den gleichen? Das ist nicht angenehm und es wird eine Grenze überschritten.
Ein Hund sucht Nähe bei den Menschen? Ebenfalls ein Indiz dafür, dass es ihm reicht.
Denk zudem immer daran: Nach müd, kommt blöd! Spielen und toben ist anstrengend, Kommunikation kostet Energie und sich immer wieder zu versichern, ob es noch Spiel ist und sich zurückzunehmen ist herausfordernd. Halte Spieleinheiten mit anderen Hunden kurz – beende sie ehe es kippt.
Spielen hat einen Sinn
Es ist schön, wenn sich Spiel unter Freunden entwickelt oder der Klärung von Konflikten dient. Viel schöner, als sich gegenseitig die Fresse zu polieren. Spielen kann Teil einer Beziehung sein. Doch Spiel ist nicht unbedingt ein Indiz für eine gute oder schlechte Beziehung.
Wenn dein Hund nicht spielt, ist das nicht schlimm. Es ist einfach nicht seine Strategie. Vielleicht kannst du über einen Socialwalk Freundschaften aufbauen, die ihm gute Sozialkontakte ermöglichen oder er hat sogar schon gute – dann reicht das!
Wenn dein Hund zu jedem Hund Hinstürmen will, lausche unbedingt dieser Podcast Episode: „Mein Hund will zu jedem Hund hin“.
Verzichte auf Hundewiese und Co., wenn du dort weder Wohlbefinden bei deinem Hund, noch bei dir feststellst und es eigentlich nur machst, weil man es dir empfohlen hat oder du denkst, dass man es doch so macht.
Beobachte deinen Hund in der Kombination mit anderen und schaue auch, was es danach mit ihm macht. Ist er dünnhäutiger? Reagiert er schneller auf Reize? Dann tat es ihm nicht gut!
Ich kenne wenig Angebote dieser Art, die Hunden wirklich gut tun und das Ziel einer „guten Sozialisierung“ erreichen – die meisten erreichen das Gegenteil!
Wenn du also denkst „in der Hundeschule kommt er mit allen klar, aber draußen pöbelt er“ oder „es ist ja nur an der Leine, sonst spielt er wunderbar“, macht es Sinn sich die Orte an denen es gut funktioniert mal genauer anzusehen und unter die Lupe zu nehmen! Oft sind sie nicht unbeteiligt an der Situation und es staut sich kräftig etwas an oder es werden Strategien gelernt, die für den Alltag schlichtweg unpassend sind!
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