Mein Hund spielt nicht mit mir
Sie springen, tollen, zerren und fegen dem Ball hinterher. Es sieht so lebendig aus. Voller Freude und Lebensmut, es wirkt so vertraut und fröhlich. Und ja, ich bin neidisch. Nein, ich gönne natürlich den anderen dieses Glück, aber zugleich richtet sich der Blick auf meine Hunde, die dem Ganzen nichts, aber auch gar nichts abgewinnen können.
Meine Hunde spielen nicht. Sie kommen nur mit ernstem Bezug in Wallung. Da muss schon echtes Wild her für unsere Minnie. Und Nayeli, als Herdenschutzhündin, die hat kein Interesse an Spiel. Die hat Aufgaben. Spielen? Firlefanz!
Aber was soll’s – es gehört eben nicht zu ihrem Naturell. Sie sollen sich für mich nicht verbiegen und wenn sie keinen Bock haben, dann lassen sie es eben. Nur mein nächster Hund, der wird dann einer vom Spiele-Kaliber.
Schießen dir diese Gedanken auch manchmal durch den Kopf?
Spielen ist Lebensfreude, spielen ist wertvoll und es fördert die Kommunikation. Und auch wenn Spielen jedem Hund in die Wiege gelegt wurde, so ist die Spielfreude bei erwachsenen Hunden nicht unbedingt vorhanden.
Wenn du Lust hast, mit deinem Hund zu spielen und die Vorteile davon auszukosten, dann lies unbedingt weiter und plane danach Spielzeiten mit deinem Hund in euren Alltag ein.
Es sieht bei euch vielleicht erstmal anders aus und vielleicht fühlt es sich auch komisch an, doch lass dir versichert sein: Es lohnt sich. Meine Hunde spielen heute – mit mir, alleine und miteinander. Und eines ist jedes Mal der Fall, ich liebe es sie dabei zu beobachten.
Spielen hat eine Funktion
Eigentlich hat Spielen sogar mehrere Funktionen.
Welpen und Junghunde spielen, um Verhalten zu üben. Auf diese Art werden Bewegungsabläufe flüssig, Muskulatur ausgebildet und wichtige Elemente, wie die Motorik geschult. Damit Welpen spielen, muss Spiel Freude machen, anderweitig wäre es Energieverschwendung. Etwas, dass Mutter Natur in der Regel vermeidet. Dabei werden Elemente aus allen Funktionskreisen, wie z.B. Nahrungserwerb, Sozialverhalten, Aggressionsverhalten, geübt. Spiel zeichnet sich lebenslang dadurch aus, dass die Elemente in einer beliebigen und unlogischen Reihenfolge gezeigt werden.
Im Verlauf des Lebens ändert sich Spiel. Nicht nur im Aussehen, sondern auch in der Funktion. Spielen erzeugt weiter Freude und Spaß. Botenstoffe wie Dopamin und Oxytocin werden ausgeschüttet. Das fühlt sich gut an. Doch die Bewegungen müssen nicht mehr geübt werden, sie sind ja längst Bestandteil des Alltages. Wozu dient Spielen dann?
So ganz schlüssig ist man sich noch nicht. Die Forschung ist sich sicher, noch nicht alle Funktionen entlarvt zu haben. Eines ist jedoch bereits ziemlich klar: Spielen zwischen Individuen dient dem Klären von Beziehungen und Konflikten, dem Setzen von Grenzen und der Vermeidung von Auseinandersetzungen. Spielen ist Kommunikation, die Streit verhindern soll. Kein Wunder also, dass Spiel zwischen Hunden dann hin und wieder doch in Auseinandersetzungen endet. Der Versuch, es anders zu klären, ist dann schlichtweg schiefgegangen. In meinem Artikel „Mobbing auf der Hundewiese“ erfährst du mehr dazu.
Spielen ist nicht gleich Spiel!
Es gibt verschiedene Formen von Spiel. Da es ja heute um dich und deinen Hund geht, schauen wir nicht so sehr auf das „Solitärspiel“ bei dem dein Hund sich mit sich oder Objekten alleine beschäftigt.
Stattdessen schauen wir auf Sozialspiel und Jagdspiele. Beides kannst du mit deinem Hund super in den Alltag integrieren und so für schöne Interaktion und neue, vertiefende Kommunikation zwischen euch sorgen.
Jagdspiele fallen vor allem den Hunden mit speziellen Jagdverhaltensmustern einfach. Es basiert auf der Emotion „SEEKING“ (Begierde). Diese ist vor allem für Neugier- und Erkundungsverhalten und den Nahrungserwerb eine wichtige Emotion. Sie bringt in Bewegung, schüttet Dopamin aus und sorgt für angenehme Erregung und Vorfreude.
Sozialspiele, wie z.B. raufen und das Maulrangeln, wo Hunde ihren Fang ineinander verkeilen, sind eher verbunden mit dem Sozialverhalten, der Emotion CARE und dem Botenstoff Oxytocin. Gerade Hunde mit geringerem Jagd- und Neugierverhalten fällt diese Art des Spielens zu Beginn manchmal leichter. Bei meiner Nayeli und mir war das der Übergang zu den Jagdspielen.
Warum spielen manche Hunde nicht?
Spielen ist gefährlich! Viele Jungtiere sterben beim Spielen, denn sie werden zur leichten Beute. Sie sind abgetaucht in ihre Welt, haben die Aufmerksamkeit geteilt und die Umwelt außer acht gelassen.
Damit dein Hund spielen kann, muss er sich zunächst sicher fühlen. Ist das nicht der Fall, wird Spielen zu Gunsten des Überlebens von seinem Gehirn gehemmt. Das ist gesund und normal. Hunde, die unter Stress mehr Spielen, sind meistens auf ganz bestimmte Hüte- bzw. Jagdverhalten selektiert und spielen auch aus dem Konflikt heraus, um aus der Umwelt abzutauchen. Aus biologischer Perspektive ein gefährliches und nicht besonders kluges Unterfangen.
Spielen macht auch erst Sinn, wenn die überlebensnotwendigen Bedürfnisse gestillt und danach noch genug Energie vorhanden ist. Vorher wäre Spielen absoluter Wahnsinn – wird doch die Energie vielleicht noch zum Nahrungserwerb oder der Fortpflanzung benötigt. Wenn die Pflicht erledigt ist, ist Spielen vielleicht die Kür.
Spielen braucht Verstärkung! Wenn dein Hund in seiner individuellen Entwicklung nicht so viele tolle Spielerlebnisse hatte, es sich nicht gelohnt hat oder es einfach nicht praktiziert wurde, dann wird es weniger. Alles, was keine Bedürfnisse befriedigt wird mittelfristig eingestellt, wenn es nicht überlebensnotwendig ist. Gerade bei Hunden die rassebedingt wenig Spielfreude und wenig Jagdverhalten mitbringen, macht es Sinn, schon früh auf ein gutes Spiel und Belohnungen für Spielen zu setzen. Das rettet das Spiel von der Jugend zum Erwachsenen und erweitert euer Repertoire an schöner Interaktion ein Leben lang.
Spielen mit System – keine Angst vor Erregung!
Spielen mit dem Hund ist ein wenig in Verruf geraten. Leider! Denn richtig gemacht, ist es eine wunderbare Ergänzung für eure Belohnungskiste und eine echte Bereicherung für den Alltag.
Der „Balljunkie“, sowie das extreme Bedürfnis nach Ruhe, haben dafür gesorgt, das Spielen von Hunden schnell als stressend und ungesund klassifiziert wird.
Doch alles im Leben, was so richtig rockt und Spaß macht, hat doch mit Erregung zu tun. Spielen gehört definitiv dazu. Wichtig ist, dass du beim Spielen von Anfang an auf einen schönen Ausklang mit einem befriedigenden Ende setzt, so vermeidest du Frustration, extreme Erregung und auch den Balljunkie.
Jagdspiele sollten dafür immer mit Futter abgeschlossen werden und das gerne großzügig. So endet die natürliche Jagdsequenz auch – mit dem Fressen! Lass das Spielzeug dabei draußen und räume es nicht gleich weg.
Sozialspiele können auch mit einer Kuscheleinheit enden oder damit, dass dein Hund noch etwas – z.B. einen Futterball – zur eigenen Beschäftigung bekommt.
So verhinderst du Frust am Ende des Spiels. Frust steigert die Erregung stark. Endet Spiel häufig frustrierend, wir der Akt des Spielens mit dem Frust – und der zugehörigen Erregung – verknüpft. Das Ausklingen ist perfekt, um vorzubeugen.
Spielen kann gelernt werden
Wenn dein Hund nicht spielt, du aber Lust dazu hättest, dann könnt ihr das trainieren. Spielen ist ein Verhalten, du kannst es genauso trainieren, wie einen Trick, Suchaufgaben oder andere lustige Sachen. Vielleicht macht dein Hund es zu Beginn nur für die Belohnungen, doch nach und nach verschiebt sich die Motivation.
In unserem kostenfreien Mini-Kurs vom Problemhund zum besten Freund, stelle ich dir die Wohlfühl-Inseln vor. Diese sind perfekt, um gemeinsam ins Spielen zu kommen! Sie bieten die notwendige Struktur und ein sicheres Umfeld.
In der Podcast Episode #43: „Mein Hund tut nix – Wie gehe ich damit um?“ berichte ich dir davon, was diese Struktur und Sicherheit ausmachen kann.
Für das Lernen von Spielen gelten die gleichen Regeln, wie bei vielen anderen Trainingsaufgaben:
Starte kleinschrittig und ohne große Erwartungshaltung.
Sorge für passende und großzügige Belohnungen, die Freude machen.
Spiele mit der Erregung und lasse es nach und nach mehr Krachen.
Strukturiere mit einem guten Anfang und einem schönen Ende.
Streue ausreichend kleine Pausen ein.
Darüber hinaus braucht es noch ein paar „Regeln“ damit spielen auch wirklich Spiel ist und nicht zu einer reinen Trainingsaufgabe oder frustrierend wird:
Spiel basiert auf absoluter Freiwilligkeit. Signale wie „Aus“, „Sitz“, sowie ein Apport haben nichts hierbei verloren, wenn der Hund es nicht ohne Signal von alleine macht.
Jede:r darf gewinnen oder beenden! Dein Hund auch, achte darauf, wenn du Anzeichen siehst, dass es zu viel wird. Lasse dann sofort ausklingen.
Spare dir jeden Ehrgeiz, Druck und Erwartungshaltung: Es geht um Spielfreude!
Weg vom Hund ist hin zum Hund. Keine Maus springt der Katze ins Maul. Bewegungen, die von deinem Hund wegführen sind attraktiver als Bewegungen zum Hund. Achte darauf, dass Futter und Objekte sich verfolgen lassen, statt sich zum Hund hinbewegen.
Belohne jeden Ansatz, auch wenn das Spiel dadurch kurz unterbricht.
Spiel braucht etwas Erregung. Lerne, die Erregung deines Hundes hoch und runterzufahren.
Mit Futter spielt man doch! Gerade, wenn dein Hund noch keine Objekt- oder reinen Sozialspiele zeigen kann, setze Futter ein, um deinen Hund in Bewegung und Jagdlaune zu versetzen. Man kann es verfolgen, fangen und verstecken! Mehr dazu gibt es auch in dieser Podcast Episode.
Nicht selten sind es die Belohnungen, die fehlen. Du brauchst nicht dauernd neue Spielzeuge oder Objekte. Sorge lieber für einen richtig lohnenswerten Umgang damit! Das schont auch dein Konto! Welche Objekte wir am liebsten zum Spielen einsetzen, erfährst du in Podcast Episode #28.
Warum spielen für dich und deinen Hund Sinn macht
Falls ich dich noch nicht überzeugt habe, hier noch meine Argumente, warum es sich lohnt in ein schönes Spiel zwischen euch Zeit und Energie zu investieren:
Spielen
sorgt für eine tiefere Kommunikation. Ihr könnt die gegenseitige Körpersprache besser kennenlernen. Grenzen abstecken und kennenlernen.
macht Freude und schüttet unter anderem das Bindungshormon Oxytocin aus. Es vertieft dadurch eure Beziehung.
ist eine geniale Belohnungsmöglichkeit, die viele Bedürfnisse befriedigt. Der Rückruf, Leine gehen – alles kann davon profitieren.
lässt Jagdverhalten kontrolliert ausleben und ablaufen, sodass du deinen Hund auslasten kannst.
Angst
ist ein Gegenspieler zu unangenehmen Emotionen und kann damit z.B. Angst verringern und die Neuronennetze der angenehmen Emotionen im Gehirn (wieder) stärker aktivieren.
lässt dich lernen die Erregung deines Hundes zu lenken, aufzugreifen und zu verändern.
Und noch mindestens tausend Sachen mehr. Also los: Geh‘ spielen!
Hör auch gern in unsere Podcast Episode #29: Spiel und Spass mit Hund – Ein Interview mit Christina Sondermann, Expertin für kreative Beschäftigung.
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