10 Tipps um mit einem reaktiven Hund zu leben
Sie flippen aus und sind in 0,01 Sekunden von 0 auf 180. Sie springen in die Leine, sie bellen, beim kleinsten Pups sind sie sofort aktiviert – im angenehmen, aber auch im unangenehmen Sinne. Deswegen werden sie gerne als „reaktive Hunde“ bezeichnet.
Ein Trugschluss in vielen Fällen!
Immer dann, wenn wir unseren Hund in eine Schublade stecken, werden wir ihm nicht gerecht. Die Welt ist nicht schwarz-weiß und auch, wenn es das Leben einfacher und Tipps effizienter machen würde: Es wäre verdammt langweilig, wenn man alles mal eben klassifizieren könnte!
Reaktivität oder Impulsivität als Persönlichkeitsmerkmal
Unter „Persönlichkeit“ versteht man Grundeigenschaften eines Individuums. Kommt das Lebewesen in eine bestimmte Situation, sind wiederkehrende und berechenbare Handlungsmuster wahrscheinlich. Je nach Literatur gibt es unterschiedliche Modelle. Dazu zu einem anderen Zeitpunkt mehr. Hier nur eine kleine Info vorab: Die meisten Untersuchungen der Persönlichkeitsunterschiede zielen auf den Umgang mit Stress und Belastung ab.
Doch, ob unser Hund eine reaktive Persönlichkeit hat, können wir gar nicht so einfach ausmachen. Denn in einem ist sich die Wissenschaft an der Stelle einig: Die Umweltfaktoren spielen eine riesige Rolle und die Frage, woher das Verhalten tatsächlich kommt, ist nicht von außen zu beantworten. Deswegen spreche ich nicht gerne vom „reaktiven oder impulsiven Hund“, sondern von einem Hund, der auf bestimmte (teilweise mehrere) Auslöser schnell reagiert.
Es geht also um Reaktionen auf Umweltreize
Als „reaktiv“ beschriebene Hunde handeln nicht ohne Grund, sondern es die Bewertung eines Auslösers in der Umwelt, der die Reaktion auslöst. Und genau hier kannst du ansetzen! Ändere die Bewertung und die dafür mitverantwortlichen Systeme.
1. Reduziere Stress
Bitte lass uns zwischen einer Herausforderung und Stress unterscheiden.
Wie du Stress erkennen kannst, habe ich dir in diesem Artikel beschrieben. “15 Anzeichen, an denen du Überforderung beim Hund erkennen kannst”, kannst du hier nachlesen.
Eine Herausforderung ist ein Problem vor dem dein Hund steht, das Energie zur Lösung braucht. Die Lösung ist schnell gefunden und funktioniert. Diese Art der Belastung lässt deinen Hund wachsen. Anders sieht es aus, wenn er häufig vor Problemen steht, keine Lösungen finden kann oder einen Kontrollverlust erleidet. All das liegt in seiner Bewertung – nicht in deiner! Dann ist der Stress für ihn schlimm und kann nicht nur die Bewertungen von Situationen verschlechtern, sondern zudem die Impulsivität steigern!
2. Bringe deinem Hund Strategien bei, die Situationen anders zu meistern
Dein Hund kann nicht nichts tun! Es reicht nicht, zu definieren, was er nicht mehr machen soll. Er muss eine neue Strategie lernen, die ihm weiterhilft und ihn möglichst schneller, energiesparender und mit angenehmeren Emotionen ans Ziel bringt. Dann kann er das alte Verhalten ersetzen. Es ist nicht die Lösung, dass du alles regelst. Je mehr du auf deine Kontrolle setzt, desto anstrengender wird dein Alltag und desto mehr Kontrollverlust (= Stress) erleidet dein Hund.
3. Gehe den Situationen aus dem Weg, denen ihr noch nicht gewachsen seid
Es bringt überhaupt nichts, wenn du mit Vollgas über eine rote Ampel braust und dich dann wunderst, wenn du einen Unfall baust. Würdest du sagen „Da musste mein Beifahrer durch.“? Es ist keine Schande temporär den Situationen aus dem Weg zu gehen und erstmal in Ruhe den Stress zu reduzieren und neue Strategien zu erlernen. Je nach Problem übe daher Strategien um den Situationen frühzeitig aus dem Weg zu gehen. Die Kehrtwendung aus diesem Artikel ist dafür zum Beispiel super!
4. Steigere das Wohlbefinden
Schon lange weiß man, dass das Ausbleiben von Unangenehmem nicht reicht um Wohlbefinden herzustellen. Baue Spiel, Spaß und schöne Dinge ohne Anforderungen in euer Leben ein! Genießt die Zeit, macht das, was euch beiden gut tut. Sucht euch Orte, wo ihr nach Herzenslust einfach sein könnt und unternehmt gemeinsame Aktivitäten, die die Bedürfnisse deines Hundes befriedigen und dir Zeit zum durchatmen geben.
5. Integriere Entspannungstraining in euren Alltag
Entspannungstraining ist kein Wundermittel. Aber es ist ideal, wenn du merkst, dass dein Hund JETZT gespannt ist, wie ein Flitzebogen und du die Sehne kurzzeitig wieder lockern willst, damit der Pfeil nicht loszischt.
Es entspannt für einen Augenblick und den kannst du nutzen um die Situation zu verändern, sei es durch einen geordneten Rückzug aus der Situation oder die freundliche Erinnerung an deinen Hund, dass er auch anders reagieren kann.
Mehr zum Entspannungstraining erfährst du in dieser Podcast Episode.
6. Baue Rituale und Routinen bewusst auf
Suche dir Möglichkeiten um deinem Hund Halt zu geben – egal wo ihr seid. „Durchatmen“ lautet das Ziel! So wird aus einer großen Belastung mehrere kleine Herausforderungen mit Pausen. Das lässt sich besser rocken! Die Routinen können an Handlungen, Orte oder andere Dinge geknüpft sein. Wir haben zum Beispiel:
gut aufgebaute Futtersuchen und Erkundungsrituale, die wir in Pausen bei Wanderungen einsetzen.
im Alltag auf den festen Strecken gut etablierte Wohlfühl-Inseln, die wir nutzen, um Erregung zu regulieren.
Pausensignale, die mit Beschäftigung, z.B. durch einen Schnüffelteppich kombiniert sind, für Trainings- und Seminarsituationen.
Diese festen Abläufe helfen uns durchzuatmen und in der Zeit andere Strategien zu finden, als zu ziehen, zu bellen oder andere doofe Sachen anzustellen.
7. Vermeide schnelle, unvorbereitete Änderungen
Hunde müssen sich immer erst wieder an das Leben anpassen. Dafür brauchen sie Zeit und Lerngelegenheiten. Sie wissen nicht, warum wir mal zuhause arbeiten und mal ins Büro gehen. Sie kennen keine Umzüge oder Urlaube. Unser Leben ist schnelllebig und damit oft überfordernd für unsere Hunde. Bereite deinen Hund auf die Veränderungen vor und überlege dir im Vorfeld, wie du den Übergang möglichst schrittweise durchführen kannst. Je mehr Vertrautes dein Hund hat, desto einfacher.
8. Lerne ihn lesen
Häufig sind Konfliktverhalten und Stress-Symptome Vorboten von unerwünschtem Verhalten. Je früher du erkennst, dass ihn etwas anspannt und bewusst unterstützen kannst, desto besser. In diesem Artikel habe ich dir eine Menge Infos zum Erkennen von Stress zusammengestellt.
Das Erkennen und Respektieren seiner Körpersprache fördert zu dem seine Selbstwirksamkeit und damit die Fähigkeit Probleme zu lösen und Strategien zu finden. Es wird eure Beziehung stärken und euch achtsamer durch den Alltag gehen lassen. Vor allem wirst du daran aber zuerst eure Fortschritte erkennen – die du dann bitte gebührend (mit uns?) feierst!
9. Finde die richtige Balance für euch
Viele Menschen verstehen unter Auslastung das stupide auspowern der Körperkräfte. Das ist Blödsinn! Die Folgen sind häufig Überforderung, Frustration und steigende Erregung.
In dieser Podcast Episode haben wir darüber berichtet.
Kurz zusammengefasst: Damit dein Hund die richtige Balance finden kann, braucht er Stimulation für seine Sinne, das Ausleben seiner Bedürfnisse, Erholungs- und Freizeiten. Und das in einem Umfeld, in dem er sich wohlfühlt. Ein Umfeld in dem er bellt, hibbelt, zerrt oder gar keinen Bock hat, ist nicht das Richtige! Hier wirst du dir mehr Probleme einfangen, als loswerden. Auch, wenn es sich dabei um einen Hundeplatz oder die „Kumpel-Runde“ handelt. Überlege dir, wann und wo ihr entspannt unterwegs seid und dein Hund Freude an eigenständiger Erkundung hat – das ist die bessere Auslastung!
10. Lockere Leine oder Freilauf
Stramme Leinen sind ein Graus. Für den Körper deines Hundes, aber auch für seine Psyche. Die permanente Bewegungseinschränkung ist purer Stress und total frustrierend. Unsere Hunde brauchen Freiheit. Mir ist klar, dass das bei einem Hund der hefitg und schnell auf Umweltreize reagiert schwierig ist. Euer Training und damit eure Lebensqualität wird es enorm verbessern, wenn du hier Energie in Lösungen investierst!
Das „Stramm nehmen“ der Leine in schwierigen Situationen ist oft der Punkt, an denen das Fass überläuft.
Wie du mit der Leinenführigkeit startest, verrate ich dir in diesem Artikel und in diesem Podcast gibt es noch eine Menge Wissen on top.
Wenn du kannst, gebe deinem Hund die Möglichkeit in den Freilauf zu kommen und das – idealerweise – wirklich so, dass er seine Bedürfnisse ausleben kann. Wir haben zum Thema Freilauf Dr. Sandra Foltin interviewt, sie ist Biologin und hat in ihrer Doktorarbeit eine Studie über das Laufverhalten von Hunden gemacht.
Dazu gibt es zwei Podcast Episoden – #17 Wenn Hunde in den Freilauf dürfen und #20 F wie Freilauf – Erfahrungsaustausch mit Dr. Sandra Foltin!
In unserem kostenfreien Mini-Kurs „Vom Problemhund zum besten Freund“ lernst du einige der Tools und Wege sie umzusetzen bereits kennen. Ich freue mich, wenn du dieses Angebot nutzt und teilst – mit allen die davon profitieren möchten!
Last but not least. Denke stets daran: Nicht dein Hund hat sich euer Lebensumfeld ausgesucht – sondern du! Er lebt mit und wegen dir an diesem Ort. Es ist daher deine Aufgabe ihn bestmöglich zu unterstützen und ihm beizubringen fröhlich und entspannt durch das Leben zu gehen!
Und nun viel Spaß beim Weiterlesen und Hören!
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