Einen Tierschutzhund adoptieren - Was kommt auf mich zu?

Einen Tierschutzhund adoptieren – Was kommt auf mich zu?

„Adopt don’t shop“ heißt ein bekannter Slogan, der für Werbekampagnen im und für den Tierschutz verwendet wird. Es soll animieren, einen Tierschutzhund zu adoptieren, statt einen Hund im Handel oder beim Züchter zu kaufen. 

Die Frage „Züchter oder Tierschutz“ scheidet oft die Gemüter, in meinem Artikel „Worauf du bei Auswahl eines Hundes achten solltest“ gehe ich näher auf das Thema ein. Was du jedoch beachten solltest, wenn du dich für einen Tierschutzhund interessierst, habe ich dir in diesem Artikel zusammengefasst. In Podcast Episode #53 erfährst du außerdem was ich unter was für mich “seriöser” Tierschutz bedeutet.

Meine Hunde, eigentlich fast alle meine Tiere, stammen aus dem Tierschutz. Lange war ich aktiv für Tierschutzvereine im In- und Ausland. Ich habe als Pflegestelle Tierschutzhunden Obhut gegeben, Vermittlungen von Tierschutzhunden begleitet und meine freien Tage und Urlaube mit der Unterstützung von Kastrationskampagnen, Arbeiten in Tierheimen oder Auffangstationen und anderen Dingen gefüllt. Ich habe Nächte auf der Autobahn verbracht, um Hunde von A nach B zu fahren oder irgendwo in Empfang zu nehmen. Mein Artikel ist also gefärbt von meinen Erfahrungen mit Tierschutzhunden und dem Tierschutz – als aktive Helferin, als Hundetrainerin und als Bezugsperson für Tierschutzhunde.

Einen Tierschutzhund adoptieren - Was kommt auf mich zu?

Den Tierschutzhund gibt es nicht! 

Es gibt nicht “den” Hund aus dem Tierschutz, ebenso wenig, wie es den Retriever oder den Terrier gibt. Zum Einen geht es hier um Individuen, zum anderen sind ihre Geschichten so unterschiedlich, wie sie nur sein können. 

Mancher Tierschutzhund ist jahrelang in einer Familie gewesen, wird zum Scheidungsopfer oder die Bezugsperson erkrankt und er landet im Tierschutz. Vielleicht bei einem Verein mit Pflegestellen, vielleicht in einem Tierheim. 

Andere Hunde haben ihr Leben auf der Straße oder anderswo, z.B. auf Müllkippen, freilebend verbracht und können dort nicht bleiben und werden „gerettet“. 

Wieder andere werden bereits in Auffangstationen oder Tierheimen geboren. Ich könnte dir noch zig Szenarien aufzählen. Doch ich denke, du verstehst, was ich meine: „Tierschutz“ sagt nichts über die Herkunft aus. Es ist weder ein Prädikat, noch ein Makel. 

Auch von den Charakteren und Rassen gibt es die gesamte Bandbreite. Oh ja, es gibt auch reinrassige Tiere im Tierschutz – nicht nur bei Hunden, auch bei Pferden. Und es gibt alle Hundetypen und Charaktere, von scheu und zurückhaltend bis zum Draufgänger. Ein Tierschutzhund ist nicht automatisch ein Sorgenhund! 

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Herkunft entscheidet nicht über Charakter – auch bei Tierschutzhunden nicht

Ich erlebe immer wieder, dass „der kommt aus dem Tierschutz“ als Erklärung für Verhaltensprobleme reicht und Menschen, die einen Hund vom Züchter haben für Verhaltensprobleme „selber schuld tragen“. Das Thema ist ein echter Triggerpunkt für mich. Denn weder das eine, noch das andere ist gerechtfertigt. 

Jeder Hund bringt seine eigene Geschichte mit. Bei Tierschutzhunden kann diese schon mal wirklich herzzerreißend sein. Doch diese Geschichte ist nicht alleine verantwortlich für das Verhalten im Hier und Jetzt. 

Die Persönlichkeit des Hundes spielt eine riesige Rolle, wie er seine Geschichte verkraftet. Ich hatte schwerst mißhandelte Tierschutzhunde zur Pflege, die dennoch keine Berührungsängste mit Menschen hatten.

Ein Großteil des Hundeverhaltens entsteht im Hier und Jetzt. Und das Hier und Jetzt gestalten wir Menschen! 

Damit meine ich nicht, dass die Vorgeschichte irrelevant ist. Hunde die starken Hunger erlitten haben, werden häufig zum Staubsaugerhund, andere Hunde haben noch nie eine Leine getragen und sind dadurch stark verunsichert. Keine Frage: Die Vorgeschichte gehört dazu, sie ist eben nur nicht alleine verantwortlich für das Verhalten. 

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So adoptierst du einen Tierschutzhund

Wenn du dich für einen konkreten Hund oder ein Tierheim interessierst, nimmst du Kontakt auf. Im Tierheim gibt es in der Regel Besuchszeiten. Ein Qualitätsmerkmal bei Tierheimen für mich ist, dass der Hund zum Besucher kommt und nicht der Besucher durch die Reihen läuft und alle Tierschutzhunde in Aufruhr versetzt. Das verringert den Stress deutlich. 

Wird deine Auswahl konkret, so bewirbst du dich in der Regel auf diesen Hund und darfst einige Daten abgeben, die dem Verein Sicherheit geben sollen, dass der Tierschutzhund auch ein endgültiges und gutes Zuhause findet. 

Passt alles, wird vielleicht noch ein Gespräch mit dir geführt und ein Vorbesuch findet statt. Der Vorbesuch wird entweder direkt vom Verein organisiert oder externe freiwillige Helfer besuchen dich und erstatten Bericht. Vereine, die auf einen Vor- und Nachbesuch verzichten, würde ich nicht in Betracht ziehen. Was auf den ersten Blick bequem wirkt, bedeutet im zweiten Step nur eines: Es ist ihnen egal, wohin der Tierschutzhund kommt. Bei manchen Vereinen entfällt der Nachbesuch, wenn der Kontakt zum Verein eng bestehen bleibt. 

In meinem „Lieblingstierheim“ von Häuser der Hoffnung, verbringst du mehrere Besuche mit dem Tierschutzhund im Tierheim bzw. zum Gassi, ehe er zu dir ziehen darf. Das Konzept dieses Tierheims ist darauf ausgelegt den Tieren eine echte Bleibe, zur Not auch ein Leben lang, zu gewähren, damit kein Druck in der Vermittlung entsteht. Ein Grund, weshalb ich es so mag! 

Passen die Vorbedingungen, darf dein Hund bei dir einziehen. In der Regel holst du den Hund ab. Das ist für mich der beste Weg. 

Häufig ist es vertraglich so, dass der Tierschutzhund erst nur zur Probe bei dir ist und erst nach dem Nachbesuch ein Endvertrag gemacht wird. Inwieweit das rechtens ist, bleibt dahingestellt. Du darfst in der Regel den Hund auch nicht weiter vermitteln, ohne das ausdrückliche Einverständnis des Tierschutzvereins und hast diesen bei Umzug oder anderen Änderungen zu informieren. 

Und: Auch wenn ich eine große Freundin von Hundetraining und zum Teil auch von Kastration bin, vertragliche Vereinbarungen hierzu sind meistens nichtig. 

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Überlege dir gut, ob du einen Tierschutzhund blind übernehmen möchtest

Ich bin immer wieder skeptisch, wenn Hunde direkt vom Flughafen an ihre Menschen vermittelt werden. Für mich ist der Unterschied zwischen der Wahl aus dem Katalog und von der Internetseite eines Tierschutzvereines nicht groß. 

Klar, ein guter Tierschutzverein hat die Hunde im Vorfeld besucht und kennengelernt, steht in engen Kontakt mit der Betreuung der Tierschutzhunde vor Ort und kennt die in der Regel anfallenden Herausforderungen. Und dennoch: Bist du dir tatsächlich bewusst, was du tust? Hast du einen echten Eindruck vom Hund gewinnen können oder dich in ein süßes Foto verliebt? 

Die wichtigste Frage an der Stelle an den Verein: Was ist, wenn es nicht klappt und der Tierschutzhund in meinem Umfeld nicht zurechtkommt? Habt ihr einen Plan B, der schnell (in 1-2 Tagen) umsetzbar ist?

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Herrenlos ist nicht heimatlos – dein Tierschutzhund hatte vorher ein Zuhause

Auch wenn der Gedanke einem Tierschutzhund „ein Zuhause zu schenken“ wunderbar romantisch und schön klingt: Rechne nicht mit Dankbarkeit! 

Dein adoptierter Hund hatte auch vorher ein Zuhause. Auch wenn das aus unserer Perpektive grauenhaft war, er kannte es. Er hat darin überlebt und er kam irgendwie zurecht… 

Es kann dir passieren, dass er im neuen Heim total überfordert ist und all die Dinge, die er vorher vielleicht sogar schon kannte, wie Straßengeräusche für ihn nun ängstigend sind. Wenn dein Tierschutzhund nach dem Einzug viele Ängste hatte oder du darüber nachdenkst einen sogenannten Angsthund aufzunehmen, lese unbedingt diesen Artikel.
Wie du einem unsicheren Hund mehr Sicherheit geben kannst, erfährst du hier.

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Sind alle Tierschutzhunde krank oder gestresst?

„Wir wollten einen gesunden Hund, deswegen waren wir beim Züchter.“ Diesen Satz kenne ich sehr gut. Das Hunde vom Züchter nicht automatisch gesund sind, ist das eine. Das andere ist aber, dass nicht jeder Tierschutzhund automatisch krank ist.

Auch wird gerne immer wieder der Welpe der gestressten Tierschutzhündin in Fallbeispielen erwähnt. Ganz ehrlich: Ich habe viele tolle Mütter erleben dürfen, die entspannt ihre Welpen auf der Straße, der Müllkippe oder in irgendeiner Baracke großgezogen haben. 

Es gibt kranke und gestresste Hunde im Tierschutz. Und je mehr sich das bisherige Leben vom neuen unterscheidet, desto stressiger wird die Eingewöhnung für deinen Tierschutzhund. Doch es gibt auch viele Hunde, die ganz ohne diese Baustellen kommen..

Es ist wie überall im Leben: Entscheide dich sorgsam, lass dich gut beraten und hole dir einen Außenstehenden dazu, der weder dem Tierschutzverein, noch dem Züchter zuarbeitet, sondern ganz besonders dich und deine Lebenssituation im Auge hat! 

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Tierschutzhund – die Katze im Sack?

Egal, wie gut die Menschen im Verein deinen Tierschutzhund kennen, es bleibt die Katze im Sack! Ich hatte schon Tierschutzhunde zur Pflege, die als wahre Bestien beschrieben wurden und deswegen über mehrere Jahre im Tierheim saßen, sich hier dann aber als echte Goldstückchen entpuppten. Allerdings kenne ich auch genauso viele gegenteilige Storys.

Wie oben geschrieben:

Verhalten entsteht zum großen Teil im Hier und Jetzt.

Ein Umzug bedeutet Dauerstress in den ersten Wochen!

Beides sorgt dafür, dass der Hund bei dir komplett anders sein kann, als er bisher beschrieben wurde. Dadurch hat der Verein nicht gelogen, sondern es hat sich schlichtweg die Situation geändert. Natürlich gibt es auch die Fälle in denen Dinge verschwiegen oder gelogen wurde, keine Frage. Doch das ist in jedem Teil unseres Lebens so. In einem seriösen Verein hat man das nicht nötig, denn man will ja, dass der Hund für immer gut untergebracht ist und nicht in zwei Wochen eilig ein Ersatzplatz her muss.

Ein Tierschutzhund ist immer eine Wundertüte und entpuppt sich Stück für Stück im ersten Jahr! 

Lies auch gern meinen Blogartikel: Sind Tierschutz- oder Auslandshunde automatisch Angsthunde?

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Das erste Jahr wird spannend

Wenn du einen Hund bei dir aufnimmst, egal, ob vom Züchter oder aus dem Tierschutz, nimm dir Zeit. Mache dir bewusst, dass der Hund in den kommenden 12 Monaten viel deiner Aufmerksamkeit und Energie braucht, damit ihr beide gut zusammenwachst. Das ist einer der Gründe, warum unser Programm „Ein echtes Team“ ein Jahresprogramm ist. 

Dein Tierschutzhund braucht Zeit zum Ankommen, dich kennenzulernen und seine neue Welt zu verstehen. Wie du den Einzug gestalten kannst, erfährt du zum Teil in diesem Artikel „Welpeneinzug“.

In den ersten Wochen eurer gemeinsamen Zeit, sollte es nur darum gehen, dass er lernt, dass er bei euch sicher ist und ihr eine Beziehung aufbaut. Das bedeutet aber nicht, dass ich das Training aufschieben würde. Wenn du dein Training sofort im Alltag und im Zuhause startest, ohne ihn dafür von A nach B schleifen zu müssen, kennt er viel schneller die wichtigen Elemente deines Alltages oder auch für ihn fremde Dinge, wie das Laufen an der Leine. 

Erfahre in Podcast Episode #52, warum ich nicht mehr als Pflegestelle für Tierschutzhunde arbeite und lies im Blog, wie du dein Training mit einem Tierschutzhund starten kannst, worauf es besonders in der ersten Zeit ankommt. 

Teile auch gerne deine Erfahrungen mit mir und hinterlasse einen Kommentar.

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